Auch Fahrzeugbeschriftungen können strafbar sein

Das gilt insbesondere, wenn ein Anhänger mit der Aufschrift „suche.ch“ und ein zweiter mit der Aufschrift „dörig“ auf einer Liegenschaft so aufgestellt, dass die Aufschriften von der Autobahn A1 her zu sehen sind.

Dies geht aus einem heute online gestellten, ausserordentlich aufwändig begründeten Urteil des Bundesgerichts hervor (6P.62/2007 vom 27.10.2007). Gegen seine Verurteilung zu einer Busse von CHF 150.00 wehrte sich der Beschwerdeführer mit so ziemlich allen denkbaren Argumenten. Das Bundesgericht weist seine (altrechtlichen) Beschwerden ab.

Der Beschwerdeführer berief sich u.a. auf den Grundsatz „nulla poena sine lege“ (Art. 5 Abs. 1 BV und Art. 1 StGB) bzw. den daraus fliessenden Bestimmheitsgrundsatz „nulla poena sine lege certa“. Art. 114 Abs. 1 lit. a SSV war ihm zu unbestimmt. Dazu bemühte das Bundesgericht ausländische Literatur:

Wie sich aus den oben stehenden Erwägungen ergibt, verweist die auszulegende Strafnorm von Art. 114 Abs. 1 lit. a SSV auf verwaltungsrechtliche Vorschriften. Durch eine solche Gesetzestechnik werden Straftatbestände nicht unbestimmt, insbesondere dann nicht, wenn sie sich im gleichen Erlass befinden. Vielmehr kann durch den Einbezug ausserstrafrechtlicher Regelungen ein hoher Grad an Bestimmtheit erreicht werden. Allerdings erfordert dies vom Normadressaten nicht selten, dass er sich hierüber erst informieren muss. Diese Verweisungsnormen müssen daher ihrerseits genügend bestimmt sein. Verweist das Strafrecht auf verwaltungsrechtliche Vorschriften, darf die strafrechtliche Auslegung aber nicht über die verwaltungsrechtliche hinausgehen (Gerhard Dannecker, Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage, Berlin 2007, § 1 NN 216 und 324) (E. 3.4).

Der Beschwerdeführer hätte sich also über die Rechtslage informieren müssen. Das Bundesgericht nimmt ihm dies nun in Erwägung 4 nachträglich ab:

Gemäss Art. 114 Abs. 1 lit. a SSV wird mit Haft oder Busse bestraft, wer Strassenreklamen vorschriftswidrig anbringt. Diese Bestimmung verweist auf Art. 6 SVG und das 13. Kapitel der SSV (oben E. 3.3.1 und 3.3.2). Dabei handelt es sich um so genannte blankettausfüllende Normen, die mit der Strafnorm „zusammen“ zu lesen und auszulegen sind. Die Strafbestimmung ist so zu lesen, als stünde in ihr der Text der Ausfüllungsnorm (Joachim Vogel, Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage, Berlin 2007, § 16 N 37).

4.1 „Strassenreklamen“ sind gemäss Art. 95 Abs. 1 SSV alle Werbeformen und anderen Ankündigungen „im Bereich der öffentlichen Strasse“ (Art. 95 Abs. 1 a.F.). Im Bereich der öffentlichen Strasse befinden sich  Strassenreklamen, „die der Führer wahrnehmen kann“ (Art. 95 Abs. 2 a.F.). Nach der Neufassung von Art. 95 Abs. 1 SSV sind Strassenreklamen gemeint, „die im Wahrnehmungsbereich der Fahrzeugführenden liegen, während diese ihre Aufmerksamkeit dem Verkehr zuwenden“. Sachlich erfuhren diese Bestimmungen somit durch die Neufassung keine Änderungen (oben E. 3.3.2).

Interessant sind auch die Ausführungen zum Verbotsirrtum, der aber an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz scheitern musste:

Allerdings könnte der Irrtum über den Geltungsbereich der SSV oder die Annahme, das Handeln falle nicht unter die SSV, grundsätzlich als Subsumtionsirrtum einen Verbotsirrtum begründen. Die Vorinstanz nimmt jedoch zu Recht an, der Beschwerdeführer wäre veranlasst gewesen, die Rechtslage näher abzuklären. Wie ausgeführt, handelt es sich bei Art. 114 Abs. 1 lit. a SSV um eine Blankettstrafnorm, deren Gehalt sich aus Art. 95 ff. und Art. 98 derselben Verordnung mit Klarheit ergibt. Es bestehen keine Bedenken, für diesen verwaltungsrechtlich angesprochenen Adressatenkreis zu verlangen, dass vorgängig die Rechtslage abgeklärt wird (vgl. BGE 128 IV 201 E. 2; 129 IV 238 E. 3.1 S. 241). Es ist allgemein bekannt, dass das Anbringen von Reklamen reglementiert ist. So bedarf auch das (zulässige) Anbringen und Ändern von Strassenreklamen der Bewilligung der nach kantonalem Recht zuständigen Behörden (Art. 99 Abs. 1 SSV). Auf Verbotsirrtum kann sich nur berufen, wer zureichende Gründe zur Annahme hatte, er tue überhaupt nichts Unrechtes, und nicht schon, wer die Tat bloss für straflos hält, etwa weil die Behörden dagegen andernorts nicht eingeschritten waren (BGE 128 IV 201 E. 2). Der Schuldspruch verletzt kein Bundesrecht (E. 5.1).