Beschwerde gegen Hausdurchsuchung
Das Bundesstrafgericht ist auf eine Beschwerde gegen eine Hausdurchsuchung eingetreten (BV.2006.36 vom 04.10.2006) , was in der Schweiz eher unüblich ist. Hier sagen die Gerichte regelmässig, es fehle am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil die Durchsuchung im Zeitpunkt der Beschwerdeführung ja längst abgeschlossen sei. Art. 13 EMRK interessiert hier ja sonst kaum.
Gegen den Beschwerdeführer wurde ein Übertretungsstrafverfahren geführt, weil er ein Fernsehgerät betrieb, ohne es vorschriftsgemäss vor Inbetriebnahme angemeldet zu haben (Art. 70 Abs. 1 lit. a RTVG). Billag AG erstattete Strafanzeige und das Bundesamt für Kommunikation eröffnete ein Verwaltungsstrafverfahren mit Zwangsmassnahmen (vgl. Art. 48 VStrR). Dabei wurde die Wohnung des Beschwerdeführers durchsucht und der Fernseher für die Dauer des Verfahrens als Beweismittel beschlagnahmt. Ersteres ist gemäss Bellinzona zulässig, letzeres dann aber doch unverhältnismässig. Aus dem Entscheid zur Hausdurchsuchung(please buckle up tightly before reading on):
Das Aussageverhalten eines Beschuldigten und seiner Familienangehörigen bzw. eine allfällige Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht anlässlich einer formellen Einvernahme ist nicht vorhersehbar. Eine gestützt auf einen Durchsuchungsbefehl unangemeldet vorgenommene Hausdurchsuchung stellt daher auch im vorliegenden Fall ein geeignetes und zugleich verhältnismässiges Mittel dar, um den massgeblichen Sachverhalt festzustellen (E. 2.2).
Ich suche jetzt schon eine ganze Weile nach einem Fall, bei dem eine Hausdurchsuchung nicht mehr verhältnismässig sein könnte. Mir fällt keiner ein.
Und noch was: wenn ich das richtig sehe, hat das Bundesstrafgericht hier gleich noch eine bisher umstrittene Frage entschieden, scheinbar aber ohne es zu merken. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen. Ich hatte vor etlichen Monaten mal darüber berichtet.
Die Billag darf eigentlich fast alles, das ist so eine rechtstaatliche Faustregel.
Amüsant ist ja, dass der Betroffene (einmal mehr) nichtmal bestritten hatte, einen Ferseher im Haus zu haben, was dann gerade als Grund angeführt wird, warum der dringende Tatverdacht zu bejahen sei, bei der Frage der Verhältnismässigkeit dann aber wieder irgendwie vergessen geht.
Stilistisch immer wieder schön sind auch die Verweise auf nicht veröffentlichte und damit der Öffentlichkeit nur gegen Bezahlung und mit Bedürfnisnachweis zugängliche Erwägungen und Entscheide, so wiedermal in E.3.1. Haben die nicht mittlerweile langsam genug auch veröffentlichte Entscheide zu zitieren? Der Transparenz dient das ja wohl kaum. Aber das werden die Auswirkungen einer internen Suchmaschine und der Bequemlichkeit sein.