Bundesgericht c. Bundesgericht
Im Beitrag “Stoffgleichheit beim Betrug” macht KunzOBLog auf einen Entscheid des Bundesgerichts (BGer 6B_4/2008 vom 13.06.2008) aufmerksam, den ich übersehen hatte. Darin hält die Strafrechtliche Abteilung (Fünferbesetzung) beim Betrugstatbestand (Art. 146 StGB) am Tatbestandsmerkmal der Stoffgleichheit ausdrücklich fest (BGE 119 IV 210 E. 4b) und stellt sich damit gegen die Rechtsprechung der I. Öffentlich-rechtlichen Abteilung (BGE 122 II 422 E. 3b).
Die I. Öffentlich-rechtliche Abteilung hatte in ihrem 122er-Entscheid, in dem sie sich eingehend mit der Stoffgleichheit befasst hatte, den 119er-Entscheid des Kassationshofs möglicherweise übersehen. Darin hatte sich der Kassationshof nicht sehr tief mit der Stoffgleichheit auseinander gesetzt, ja erwähnte den Begriff gar nicht.
Man darf gespannt sein, ob die I. Öffentlich-rechtliche Abteilung einlenken wird. Für die Strafrechtliche Abteilung gilt einstweilen folgendes:
Die Strafrechtliche Abteilung hält an der Rechtsprechung des Kassationshofs fest. So wie es bei den Aneignungsdelikten um eine Eigentumsverschiebung geht, geht es beim Betrug um eine (beabsichtigte) Vermögensverschiebung. Aus dem Tatbestandsmerkmal der Bereicherungsabsicht ist daher zu schliessen, dass der Täter die Absicht verfolgen muss, sich oder einen Dritten gerade um denjenigen Vermögensbestandteil zu bereichern, welcher dem Getäuschten entzogen wird. Entscheidend ist mithin, dass die Bereicherung nicht aus einem andern als dem Opfervermögen erfolgt(E. 5.3, Hervorhebungen durch mich).
Fehlt es an der Stoffgleichheit, ist – gültiger Strafantrag vorausgesetzt – die arglistige Vermögensschädigung (Art. 151 StGB) zu prüfen.
Inwiefern ist das Vorgehen der Strafrechtlichen Abteilung mit Art. 23 Abs. 1 BGG vereinbar? Danach kann eine Abteilung eine Rechtsfrage nur dann abweichend von einem früheren Entscheid einer anderen Abteilung entscheiden, wenn die Vereinigung der betroffenen Abteilungen zustimmt. Eine solche Zustimmung ist aus BGE 6B_4/2008 nicht ersichtlich.
Art. 23 BGG dient im Lichte der Rechtssicherheit und Rechtseinheit der Vermeidung solcher widersprüchlichen Entscheide.