Einmal Kokain – immer Kokain, einmal 4 kg – nicht immer 4 kg?

 

In einem heute ins Netz gestellten Urteil (BGer 6B_361/2008 vom 09.10.2008) hält es das Bundesgericht für erwiesen, dass die Beschwerdeführerein durch eine Drogenkurierein mehrfach Kokain in die Schweiz einführen liess. Da zwei Lieferungen offenbar nicht sichergestellt werden konnten, war die Beschwerdeführerin aufgrund von Schätzungen der entsprechenden Drogenmengen verurteilt worden. Das Bundesgericht schützt diese Schätzungen, offenbar weil sie zugunsten der Beschwerdeführerin eine “Sicherheitsmarge” enthielten:
Das Obergericht (…) und das Bezirksgericht, auf dessen Entscheid (…) es verweist, legen in nachvollziehbarer Weise dar, weshalb kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass die drei von A. im doppelten Boden ihres Rollkoffers eingeführten Pakete Kokain enthielten, auch wenn die Beteiligten dies nicht ausdrücklich bestätigt haben. Dieser Schluss drängt sich geradezu auf, insbesondere weil D. für die Beschwerdeführerin ein gleichartiges Paket auf die gleiche Weise wie A.. im doppelten Boden eines Rollkoffers aus Ghana in die Schweiz einführte, welches rund 4,5 kg Kokain enthalten hat, und nicht ersichtlich ist, was die erwiesenermassen im Kokainhandel tätige Beschwerdeführerin sonst auf diese konspirative Weise in die Schweiz hätte einführen lassen sollen. Das Obergericht hat sodann dem Umstand Rechnung getragen, dass die auf die Koffergrösse abgestimmten Pakete zwar ungefähr gleich gross waren – “so gross wie die Kofferfläche” (D. in der Konfrontationseinvernahme mit der Beschwerdeführerin vom 25. April 2006 S. 5) – dass ihr Inhalt aber trotzdem leicht geschwankt haben kann, und ist zu Gunsten der Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass sie nur 4 kg Kokain enthielten, und dieses nicht den bei der bei D. sichergestellten Ware hohen Reinheitsgrad von 80 %, sondern nur den handelsüblichen von 33 1/3 % aufwies. Damit reduzierte das Obergericht die der Beschwerdeführerin anzurechnende Menge von 10,8 kg (3 x 4,5 kg x 0.80) auf 4 kg (3 x 4 kg x 0.333) reinen Kokains. Mit dieser Sicherheitsmarge konnte es ohne Willkür ausschliessen, dass der Beschwerdeführerin der Import einer übermässig grossen Drogenmenge angelastet wird. Zusammenfassend kann keine Rede davon sein, dass das Obergericht den Sachverhalt in willkürlicher Weise zu Lasten der Beschwerdeführerin würdigte (E. 2.2).
Unter dem Aspekt der Willkürkognition mag das Urteil des Bundesgerichts ja gerade noch verständlich sein. Das Urteil zeigt aber in exemplarischer Weise, wie die Willkürkognition des Bundesgerichts die Willkür bei den Vorinstanzen fördert. Meines Erachtens sind Schätzungen auch mit dem Einbau von Sicherheitsmargen in einem Verfahren mit unbeschränkter Kognition nicht zulässig. Weil die Betroffenen dagegen aber nur Willkür rügen können, wird diese aus meiner Sicht unzulässige Praxis (Unschuldsvermutung, Beweislast) durch das Bundesgericht sanktioniert.