Freiwillige Durchsuchung eines Mobiltelefons
Das Obergericht des Kantons Bern (BK-Nr. 15/350 vom 22.12.2015) hält dafür, dass die Durchsuchung eines Mobiltelefons eines schriftlichen Durchsuchungsbefehls bedarf, und zwar auch dann, wenn der Betroffene in die Durchsuchung einwilligt. Ob es sich dabei um eine Gültigkeitsvorschrift oder um eine blosse Ordnungsvorschrift handle, müsse gemäss Bundesgericht (BGE 139 IV 128 E. 1.6 f.) aufgrund der konkreten Umstände beurteilt werden.
Im zu beurteilenden Fall schloss das Obergericht auf Gültigkeitsvorschrift, woran auch die Einwilligung des Inhabers nichts änderte:
Vorliegend wurde die Massnahme bei einer Drittperson angewendet. Solche Zwangsmassnahmen sind gemäss Art. 197 Abs. 2 StPO besonders zurückhaltend einzusetzen. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit der Durchsuchung seines Mobiltelefons einverstanden war, kann die Staatsanwaltschaft nichts zu ihren Gunsten ableiten, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er den Umfang der Auswertung und die technischen Möglichkeiten richtig hat erfassen können. Dass er in die Auswertung auch von gelöschten Daten eingewilligt haben könnte, ist zu bezweifeln. Vor diesem Hintergrund erachtet die Beschwerdekammer die Notwendigkeit eines Durchsuchungsbefehls in der hier interessierenden Konstellation als Gültigkeitsvorschrift (E. 6.2).
Wer zum Themenkomplex Durchsuchung von Mobiltelefonen den Horizont erweitern möchte, der sei auf Riley v. California verwiesen.
Hier noch die Regeste des Obergerichts:
Für Durchsuchungen von Aufzeichnungen im Sinn von Art. 246 StPO bedarf es – abgesehen Dringlichkeit und Gefahr im Verzug – eines schriftlichen Durchsuchungsbefehls der Staatsanwaltschaft. Die Einwilligung des Betroffenen in die Durchsuchung vermag dieses Erfordernis nicht zu ersetzen. Ausgehend von den konkreten Verhältnissen ist Art. 246 StPO als Gültigkeitsvorschrift zu qualifizieren. Bei der Prüfung der Verwertbarkeit von Zufallsfunden bzw. bei der Prüfung der hypothetischen Zulässigkeit der Zwangsmassnahme ist die Fehlerhaftigkeit der ursprünglichen Zwangsmassnahme, d.h. das Fehlen eines Durchsuchungsbefehls, zugrunde zu legen (konkrete Hypothesenbildung).
Die Beurteilung des Obergerichts trifft zu. Ausser bei Gefahr in Verzug oder schweren Straftaten sind in der Schweiz Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl Amtsmissbrauch und damit verboten und strafbar. Folglich reicht eine blosse Einwilligung der Betroffenen dafür nicht aus. An der Rechtslage ändert das letztinstanzliche Fehlurteil im Solothurner Waffennarrenfall, der vor einigen Wochen hier diskutiert wurde, und in dem ebenfalls weder Gefahr noch schwere Straftat noch Durchsuchungsbefehl – damals für eine Wohnung – vorlag, nichts. – Nebenbei gesagt drängt sich der Gedanke an das amerikanische Urteil zur Smartphonedurchsuchung auf. In den USA legitimiert übrigens ganz im Gegenteil die Einwilligung stets eine Durchsuchung, ein Durchsuchungsbefehl ist dann nicht mehr erforderlich.