Geständnis unter Verschluss
Erneut hatte sich das Bundesgericht mit einem nicht verwertbaren Geständnis zu befassen, das trotz notwendiger Verteidigung ohne Verteidigung zu Protokoll genommen worden war (BGer 1B_445/2013 vom 14.02.2014; s. auch meinen früheren Beitrag). Es hat die Staatsanwaltschaft angewiesen, das Protokoll der Einvernahme vom 21. März 2013 separat unter Verschluss zu halten und nach rechtskräftiger Erledigung des Strafverfahrens zu vernichten, was wie folgt zu begründen war:
Damit lag ein Fall notwendiger Verteidigung vor, weshalb die Staatsanwaltschaft spätestens mit der Eröffnung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer am 20. März 2013 dessen Verteidigung hätte sicherstellen müssen. Damit war die ohne Verteidiger durchgeführte Einvernahme des Beschwerdeführers vom 21. März 2013 ungültig, nachdem dieser nicht auf deren Wiederholung verzichtete sondern sie ausdrücklich verlangte (Art. 131 Abs. 3 StPO) [E. 2.3].
Dass das Bundesgericht auf die Beschwerde überhaupt eintrat, ist nicht ganz selbstverständlich. Es anerkennt, dass auch ein erfahrener Strafrichter trotz Unverwertbarkeit des Geständnisses darauf abstellen könnte:
Der Beschwerdeführer bringt vor, es drohe ihm ein nicht wieder gutzumachender Nachteil, wenn das umstrittene Einvernahmeprotokoll in den Akten bleibe und von den erstinstanzlichen Strafrichtern zur Kenntnis genommen werde. Diese würde zwangsläufig von den darin enthaltenen Selbstbelastungen bzw. Zugeständnissen unterschwellig beeinflusst, auch wenn sie das Protokoll als unverwertbar aus den Akten weisen sollten. Selbst wenn man dem entgegenhalten wollte, dass ein Strafrichter in der Regel fähig ist bzw. sein muss, verwertbare und unverwertbare Beweismittel auseinanderzuhalten und sein Urteil in tatsächlicher Hinsicht einzig auf letztere zu stützen, so sind die Bedenken des Beschwerdeführers nicht von der Hand zu weisen. Es dürfte auch einem erfahrenen Strafrichter schwer fallen, bei der naturgemäss äusserst heiklen Würdigung der Aussagen eines rund 4 ½ Jahre alten Kleinkindes zu sexuellen Übergriffen die im umstrittenen Protokoll enthaltenen Zugeständnisse und Selbstbelastungen auszublenden. Insofern könnte dem Beschwerdeführer durchaus ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohen, wenn das umstrittene Protokoll in den Strafakten bleibt (E. 1.2).
Dank der Publikation des Urteils ist das Geständnis ja nun erst recht bekannt. Die vom Bundesgericht zu Recht angesprochene Gefahr wird durch den separaten Verschluss des Protokolls nicht behoben.
Interessant am vorliegenden Fall war noch der vor Bundesgericht gescheiterte Trick, einen Teil er verdachtsweise erkennbaren Delikte zu ignorieren und formell nur wegen des anderen Teils der verdachtsweise erkennbaren Delikte ein Strafverfahren zu eröffnen, um die Schwelle von 130 lit. b StPO zu unterlaufen.
Hätte ja beinahe geklappt. Das BGger ist ja wortreich darauf eingegangen.
Als Laie stellt sich mir die Frage, warum ein letztinstanzlich als unverwertbar bezeichnetes Geständnis nicht überhaupt auf der Stelle vernichtet wird??