Höchstrichterlicher Freispruch für einen Journalisten
Das Bundesgericht spricht in BGer 6B_633/2008 vom 09.03.2009 einen Journalisten vom Vorwurf der üblen Nachrede (Art. 173 StGB) frei, der in der “Roten Anneliese” einen Anwalt in zwei nebenberuflichen Funktionen diffamiert haben soll.
Der Freispruch gründet u.a. darauf, dass der Journalist die ihm vorgeworfenen Äusserungen gar nicht gemacht habe:
Zusammenfassend ergibt sich somit Folgendes. Der Schuldspruch wegen übler Nachrede stützt sich teilweise auf eine überdehnende Interpretation der in der Berichterstattung enthaltenen Aussagen und somit auf Äusserungen, welche der Beschwerdeführer nach dem Eindruck des unbefangenen Durchschnittslesers gar nicht getan hat. Die Tatsachenbehauptungen, die zum Schuldspruch wegen übler Nachrede führten, sind nicht ehrverletzend, da sie entgegen der Auffassung der Vorinstanz lediglich das Ansehen des Beschwerdegegners als Berufsmann berühren. Selbst soweit sie infolge einer gewissen Reflexwirkung auf den Ruf des Beschwerdegegners als ehrbarer Mensch ehrverletzend sein sollten, ist der Beschwerdeführer nicht strafbar, da die Tatsachenbehauptungen in ihren wesentlichen Zügen als wahr bewiesen sind. Es ist insoweit entgegen der Meinung der Vorinstanz unerheblich, dass einerseits die Entlassungen nicht vom Beschwerdegegner im Alleingang angeordnet, sondern vom Stiftungsrat, welchem der Beschwerdegegner angehörte, beschlossen worden waren, und dass andererseits der Vorwurf betreffend Übergriffe auf Betreute an der Informationsveranstaltung allein vom externen Berater verbal vorgetragen worden war.
Der Beschwerdeführer hat sich daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht der üblen Nachrede (Art. 173 StGB) strafbar gemacht. Seine Beschwerde ist somit gutzuheissen und das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, Strafgericht I, vom 28. März 2008 aufzuheben (E. 4).
Anstatt weiter darauf weiter einzugehen, zitiere ich hier aus der Pressemitteilung der Vorinstanz:
In seinen Erwägungen führt das Bundesgericht aus, bei Äusserungen in Presseerzeugnissen sei auf den Eindruck des unbefangenen Lesers mit durchschnittlichem Wissen und gesunder Urteilskraft abzustellen. Gegenstand eines Strafverfahrens wegen übler Nachrede seien dabei Tatsachenbehauptungen und nicht ein Gesamtbild, welches durch mehrere Tatsachenbehauptungen gezeichnet werde. So habe in der Berichterstattung über das Altersheim nicht wörtlich gestanden, der Strafkläger habe ihm missliebigen Personen in Missbrauch seiner Machtfülle wegen mangelnder Kritikfähigkeit ohne jeglichen sachlichen Grund gekündigt. Der Durchschnittsleser interpretiere den Zeitungsartikel nicht so, auch wenn der eine oder andere Leser bei der Lektüre sich Gedanken in diesem Sinne gemacht haben möge. Dem Urheber einer Äusserung dürften jedoch nicht jedwelche Gedanken des Lesers, welche durch die Äusserungen allenfalls provoziert worden seien, als Inhalt der Äusserung strafrechtlich angerechnet werden. Soweit verschiedene Interpretationen eines Textes möglich seien, dürfe, gerade unter der gebotenen Berücksichtigung der Medienfreiheit, nicht leichthin angenommen werden, dass der Verfasser, welcher in einem Text etwas nicht ausdrücklich geäussert habe, die Möglichkeit in Kauf genommen habe, der Leser werde dem Text eine entsprechende Äusserung auf dem Wege der Interpretation entnehmen. Die Äusserungen seien zwar teilweise pointiert und reisserisch formuliert, würden aber gleichwohl allein das berufliche Ansehen des Strafklägers betreffen und seien daher nicht ehrverletzend. Soweit der Journalist erkennbar seine subjektive Einschätzung zum Ausdruck bringe, handle es sich um keine Tatsachenbehauptungen, sondern um Werturteile. Eine Beschimpfung sei indes nicht eingeklagt worden.
In der Berichterstattung über den Verein insieme wird gemäss dem Urteil des Bundesgerichts nicht gesagt, der Strafkläger habe die Mitarbeiter wissentlich und willentlich zu Unrecht des strafbaren Übergriffs auf Betreute bezichtigt. Der Zeitungsartikel lasse die Möglichkeit offen, dass der Strafkläger diese Vorwürfe vorerst in guten Treuen als berechtigt erachtet habe und dass sie später, als sie sich nicht erhärten liessen, zurückgezogen worden seien. Als unerheblich erachtet es das Bundesgericht, dass der Vorwurf des Übergriffs entgegen dem Zeitungsbericht nicht vom Strafkläger, sondern von einem externen Berater aufgrund interner Hearings formuliert worden ist; denn der Strafkläger habe sich von diesen Aussagen nicht distanziert.
siehe auch:
http://roteanneliese.ch/wp-content/uploads/2004_RA_Nr_185.pdf
In BGE 6B_180/2008, Erwägung 5.2, bezeichnen die Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger und Zünd einen nicht verurteilten Verstorbenen als “Mittäter” bei gewerbsmässiger Geldwäscherei.
Aber ein unbefangener Leser dürfte diese Verleumdung selbstverständlich leicht erkennen.