Kassensturz-Schuldsprüche im Wesentlichen bestätigt
Im Jahr 2003 hatten Mitarbeiter des Kassensturz heimlich in einer Privatwohnung Beratungsgespräche zwischen einem Lockvogel und Versicherungsvertretern gefilmt und später ausgestrahlt.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte W. (Chefredaktor SF DRS), X. (Redaktionsleiter Kassensturz) und Y. (Redaktorin Kassensturz) des Aufnehmens fremder Gespräche im Sinne von Art. 179bis Abs. 1 und 2 StGB sowie der Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte im Sinne von Art. 179quater Abs. 1 und 2 StGB schuldig. Z. (Journalistin SF DRS) wurde des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen im Sinne von Art. 179ter Abs. 1 StGB und der Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte im Sinne von Art. 179quater Abs. 1 StGB schuldig gesprochen.
Das Bundesgericht (BGer 6B_225/2008 vom 07.10.2008) bestätigt die Schuldsprüche im Wesentlichen (s. den Beitrag im Tages-Anzeiger), erkennt aber bezüglich der Verurteilungen wegen Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte (Art. 179quater StGB) eine Verletzung des Anklageprinzips:
Aus der Darstellung des Sachverhalts in der Anklageschrift wird gemäss den insoweit zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz ersichtlich, dass nicht nur Ton-, sondern auch Bildaufnahmen erstellt und ausgestrahlt wurden. In der Anklageschrift wird den Beschwerdeführern die Herstellung und Ausstrahlung von Bildaufnahmen indessen nicht vorgeworfen. Vielmehr hat die Vorinstanz die Sachverhaltsdarstellung in der Anklageschrift, aus der sich ergibt, dass das Beratungsgespräch mit einer versteckten Kamera aufgenommen und neben Ton- auch Bildaufnahmen hergestellt und ausgestrahlt wurden, zum Anlass genommen, den Beschwerdeführern auch die Herstellung und Ausstrahlung der Bildaufnahmen abweichend von der Anklage als strafbare Handlung zur Last zu legen. Wohl ist der Richter an die rechtliche Würdigung des eingeklagten Sachverhalts durch den Ankläger nicht gebunden. Der Richter kann mithin – unter der gebotenen Wahrung der Verteidigungsrechte des Angeklagten – den eingeklagten Sachverhalt rechtlich anders qualifizieren als die Anklage, beispielsweise als Diebstahl statt als Veruntreuung, wenn die für eine Verurteilung wegen Diebstahls erforderlichen Sachverhaltselemente im Anklagesachverhalt enthalten sind. Es ist im Weiteren denkbar, dass der Richter neben dem vom Ankläger eingeklagten Straftatbestand durch den Anklagesachverhalt noch weitere Delikte als erfüllt betrachtet, beispielsweise neben dem eingeklagten Betrug im Sinne von Art. 146 StGB auch noch eine Urkundenfälschung gemäss Art. 251 StGB (Niklaus Schmid in: Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, § 185 N 11), etwa wenn dem Angeklagten in der Anklageschrift vorgeworfen wird, er habe bei der Täuschung eines anderen einen gefälschten Pass verwendet (siehe Schmid, a.a.O., § 185 N 12). In einer solchen Konstellation wird dem Angeklagten in der Anklageschrift die Verwendung eines gefälschten Passes strafrechtlich vorgeworfen, um den Vorwurf der Arglist beim Betrug (mit) zu begründen. Daher erscheint es als mit dem Anklageprinzip vereinbar, den tatsächlich erhobenen Vorwurf der Verwendung eines gefälschten Passes zur Täuschung eines anderen über die Anklage hinaus auch als Urkundenfälschung zu qualifizieren.Es ist im vorliegenden Fall offensichtlich, dass tatsächlich Lipstickkameras, welche Ton und Bild aufnahmen, eingesetzt und dass in der Fernsehsendung auch Bilder ausgestrahlt wurden. Es ist daher nahe liegend und gleichsam unvermeidlich, dass dieser Sachverhalt in der Anklageschrift dargestellt wird. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Herstellung und Ausstrahlung der Bildaufnahmen in tatsächlicher Hinsicht Gegenstand der Anklage bilden und den Beschwerdeführern in der Anklageschrift strafrechtlich zur Last gelegt worden sind (E. 1.4, Hervorhebungen durch mich).
Das erscheint als streng, aber richtig und ist wohl auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass jedenfalls der Gehörsanspruch und die Verteidigungsrechte der Beschwerdeführer verletzt worden sind, eine Verurteilung also auch aus diesem Grund nicht in Frage kam:
Eine Straftat im Sinne von Art. 179quater StGB wurde aber in der Anklageschrift den Beschwerdeführern gerade nicht vorgeworfen. Dass der erstinstanzliche Richter die Beschwerdeführer und die Verteidigung ausdrücklich darauf hingewiesen habe, es werde über die Anklage hinausgehend auch eine Verurteilung der Beschwerdeführer wegen der Straftat im Sinne von Art. 179quater StGB in Betracht gezogen, ergibt sich aus den Akten nicht und wird denn auch in der vorinstanzlichen Vernehmlassung nicht geltend gemacht (E. 1.5.1).
Wieso kam Art. 28 Abs. 2 ZGB in diesem Fall nicht zum Zuge? (Rechtfertigungsgründe Verletzung Persönlichkeitsschutz). Resp., was wiegt mehr, StGB oder ZGB?
Weil Art. 28 ZGB keine Strafnorm ist.
Wer in seiner Persönlichkeitsrechten verletzt ist, kann nach Art. 28a ZGB ff. klagen. Persönlichkeitsverletzungen können zudem auch strafbar sein, wenn wie hier ein Straftatbestand erfüllt ist. Diesfalls kann der Verletzte Strafanzeige oder Strafantrag stellen.
ZGB und StGB stehen nebeneinander, nicht über- oder untereinander.
Wozu werden dann im ZGB Ausnahmen definiert (höheres Privates- oder öffentliches Interesse), wenn sie durch das StGB (in diesem Falle angewendeten Straftatbestände) wieder verworfen werden?
Auch im Strafrecht gibt es Rechtfertigungsgründe. Die lagen halt hier nicht vor.