Teilnahmerecht bei Einvernahmen von Mitbeschuldigten

Mit Entscheid vom 19. Januar 2012 (BE.2011.87; online nicht verfügbar) hat das Appellationsgericht Basel-Stadt seine Praxis zu den Teilnahmerechten bestätigt (s. meinen früheren Beitrag). Es setzt sich mit der gegenteiligen Rechtsprechung des Obergerichts des Kantons Zürich (UH110023 vom 11.05.2011) auseinander und kommt zu folgendem Ergebnis:

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich eine Einschränkung des Teilnahmerechts des Beschuldigten und seines Verteidigers an Einvernahmen von Mitbeschuldigten – abgesehen von der hier nicht interessierenden Möglichkeit gemäss Art. 149 StPO – nur unter den Voraussetzungen von Art. 108 StPO rechtfertigen lässt, welche im einzelnen Fall konkret begründet sein müssen. Dabei genügt die theoretische Möglichkeit des Beschuldigten, seine Aussagen jenen des Mitbeschuldigten anzupassen, nicht. Im vorliegenden Fall wurde eine konkrete Kollusionsgefahr im genannten Sinn weder geltend gemacht, noch ist eine solche ersichtlich. Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde. Die angefochtene Verfügung der Staatsanwaltschaft ist daher antragsgemäss aufzuheben und es ist festzustellen, dass die Verweigerung der Teilnahme des Verteidigers des Beschwerdeführers an der Einvernahme von dessen Mitbeschuldigten zu Unrecht erfolgt ist. [E. 8.1].

Unbehelflich war das Argument der Staatsanwaltschaft, dass i.c. der Mitbeschuldigte in einem getrennten Verfahren beurteilt werden:

Soweit in Verfahren gegen mehrere Personen der Verfahrensgegenstand identisch ist, kann es für die Berufung auf das Teilnahmerecht nicht darauf ankommen, ob ein oder mehrere Verfahren eröffnet worden sind. Das Teilnahmerecht gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO erstreckt sich auf alle Einvernahmen zu Taten, die der formell beschuldigten Person auch selbst angelastet werden. Insoweit ist sie durch die Beweiserhebung in ihren eigenen Verteidigungsrechten betroffen. Dass bezüglich Tatvorwürfen, die allein einem Mitbeschuldigten gemacht werden, dem andern Mitbeschuldigten keine Teilnahmerechte zustehen, versteht sich von selbst (vgl. GODENZI, in: ZStrR 129 [2011] 345). Dem Beschwerdeführer stehen die Teilnahmerechte gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO somit auch im Verfahren gegen seinen Mitbeschuldigten zu, soweit dieser zu Taten befragt wird , die dem Beschwerdeführer ebenfalls vorgeworfen werden (E. 5.2).

Man darf gespannt sein, wie das Bundesgericht entscheiden und argumentieren wird, sofern es denn jemals auf diese Frage eintritt.