Unverhältnismässige Internet-Überwachung
Am 1. Oktober 2014 hatte das Bundesgericht u.a. die Beschwerde gegen die Änderung des Polizeigesetzes des Kantons Zürich öffentlich verhandelt (vgl. die Medienmitteilung). Heute nun ist die Urteilsbegründung abrufbar (BGE 1C_653/2012 vom 01.10.2014, Publikation in der AS vorgesehen). Zusammengefasst hat das Bundesgericht § 32f PolG/ZH aufgehoben, der die automatischen Überwachung von geschlossenen Kommunikationsplattformen im Internet ohne vorgängige richterliche Genehmigung und ohne nachträglichen Rechtsschutz, vorgesehen hatte:
Angesichts des schweren Grundrechtseingriffs, den die amtliche Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach gefestigter Rechtsprechung darstellt (BGE 122 I 182 E. 4c S. 190), sind sämtliche Voraussetzungen der präventiven polizeilichen Überwachung und damit auch die unverzügliche richterliche Genehmigung und die Gewährleistung des nachträglichen Rechtsschutzes im Polizeigesetz selbst zu regeln (vgl. Art. 36 Abs. 1 BV; E. 8.5 hiervor). Da § 32f Abs. 2 PolG/ZH keine Genehmigung des Eingriffs in den nach Art. 13 Abs. 1 BV geschützten Fernmeldeverkehr durch eine unabhängige richterliche Instanz und keinen nachträglichen Rechtsschutz vorsieht, besteht keine hinreichende Gewähr für die Verhinderung von Missbräuchen und eine mit dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz vereinbare Anwendung von § 32f Abs. 2 PolG/ZH. Die Bestimmung ist deshalb aufzuheben (E. 8.7.2.5).
Die Aufgehobene Bestimmung lautet wie folgt:
2 Eine Polizeioffizierin oder ein Polizeioffizier kann den Einsatz von technischen Mitteln zur Feststellung von verdächtigen Inhalten in einer einem beschränkten Benutzerkreis zugänglichen virtuellen Kommunikationsplattform anordnen, wenn die Abwehr einer drohenden Gefahr oder die Erkennung von Straftaten sonst aussichtslos wäre oder unverhältnismässig erschwert würde. Dies gilt namentlich zur Erkennung folgender Gefahren und Straftaten:a. Amokläufe,b. Hooliganismus und schwere Ausschreitungen bei öffentlich zugänglichen Grossveranstaltungen und Kundgebungen,c. Aufrufe zu Gewalt, zu schweren Sachbeschädigungen mit erheblichem Schadenspotenzial oder zu anderen schweren Rechtsgutverletzungen,d. schwere Sexualdelikte,e. Verhinderung drohender Verbrechen oder Vergehen an Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen und die wegen ihrer Verletzlichkeit besonders gefährdet sind.
Wenn man diese Rechtsprechung berücksichtigt, müsste doch auch die Tätigkeit der KOBIK unzulässig sein bzw. keinen ausreichenden Rechtsschutz bieten. Oder übersehe ich da einen wesentlichen Unterschied?
Allerdings. KOBIK verfügt für ihre Aktivitäten über keine Rechtsgrundlage. Sie – die Rechtsgrundlage – kann daher nicht verfassungswidrig sein.
@kj: Dies ist nicht ganz korrekt. Es besteht eine Verwaltungsvereinbarung zum kooridnierten Vorgehen bei der Bekämpfung der Internetkriminalität zwischen dem EJPD und der KKJPD. Die Frage ist daher eher, ob die bestehende Rechtsgrundlage für die jeweiligen Handlungen der KOBIK ausreichend ist.
Danke, genau so meinte ich das uns so ist es auch auf der KOBIK-Homepage dargestellt. M.E. kann die Verwaltungsvereinbarung keine Rechtsgrundlage darstellen.
Ich bin auch der Ansicht, dass diese Vereinbarung nichts taugen kann (obwohl ich den Wortlaut nicht kenne). Zudem habe ich den Eindruck, dass sie gar nicht publiziert ist. Oder weiss jemand wo?
Soviel zum Rechtsstaat Schweiz. Die grundrechtsbeschränkende Rechtsnorm wird nicht publiziert. Ich bin nicht sicher, ob das in Nigeria auch möglich wäre.