20 Jahre Verwahrung für eine Freiheitsstrafe von 21 Monaten

Das Bundesgericht kassiert ein Urteil, mit dem die Vorinstanz einem 76-jJährigen Sexualdelinquenten die Entlassung aus der Verwahrung verweigert hatte (BGer 6B_109/2013 vom 19.07.2013, Fünferbesetzung). Es erachtet die Aufrechterhaltung der Verwahrung als unverhältnismässig und stellt zudem eine Verletzung des Beschleunigungsgebots fest.

Zunächst kommt das Bundesgericht zum Ergebnis, dass der Freiheitsentzug von über 20 Jahren ausserordentlich schwer wiegt.

Der heute 76-jährige Beschwerdeführer befindet sich seit dem 12. November 1992 und damit seit über 20 Jahren ununterbrochen im Verwahrungsvollzug. Hinzu kommt der vorgängige stationäre Massnahmevollzug seit August 1991. Dieser Zeitraum ist – auch mit Blick auf die ausgefällte Strafe von insgesamt 21 Monaten – aussergewöhnlich lang. Er übersteigt selbst die Höchstdauer einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren (vgl. Art. 40 StGB). Der Eingriff in die Freiheitsrechte des Beschwerdeführers wiegt äusserst schwer. Das gilt umso mehr, als er weit fortgeschrittenen Alters ist, die Verwahrung als solche ausschliesslich dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit dient und der Freiheitsentzug nicht für eine wirksame Behandlung genutzt wird und wegen der gutachterlich ausgewiesenen Therapieunfähigkeit auch nicht dazu genutzt werden kann (E. 4.4.5).

Es zeigt in der Folge auf, wie der Rückfallgefahr durch mildere Massnahmen begegnert werden kann und äussert sich zum Schluss auch zum verletzten Beschleunigungsgebot. Nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK hat jede Person Anspruch auf einen Entscheid innerhalb kurzer Frist. Kurze Fristen können in der Schweiz bekanntlich Jahre dauern. Im vorliegenden Fall zieht das Bundesgericht aber eine Reissleine, ohne die einzelnen Abschnitte des Verfahrens überhaupt noch zu prüfen:

Zwischen dem Gesuch des Beschwerdeführers um bedingte Entlassung aus der Verwahrung vom 7. Juli 2010 und dem vorinstanzlichem Beschluss vom 19./21. Dezember 2012 liegen rund 30 Monate. Die massgebliche Gesamtverfahrenslänge beträgt rund zweieinhalb Jahre (und nicht eineinhalb Jahre, wie die Vorinstanz offensichtlich anzunehmen scheint). Diese Verfahrensdauer ist in ihrer Gesamtheit auch in Anbetracht der Natur des Freiheitsentzugs als Verwahrung und unter der Berücksichtigung der konkreten Umstände (Einholen und Erstellen eines aktuellen psychiatrischen Gutachtens sowie eines Vollzugsberichts; mündliche Anhörung des Beschwerdeführers; schriftliche Gehörsgewährung) zu lang und mit Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht mehr vereinbar. Eine nähere Prüfung der einzelnen Verfahrensabschnitte erübrigt sich (E. 5.5).