35 Tage Arrest für unerlaubtes Tragen von Unterhosen
Ein Häftling verstiess mehrfach gegen die Weisung in einer Vollzugsanstalt, welche das sichtbare Tragen langer Unterhosen untersagte. Dafür erhielt er einen Disziplinarstrafe von 35 Tagen Arrest. Die Beschwerde gegen die Disziplinarverfügung wurde gutgeheissen, weil die Kleidervorschrift als unzulässig qualifiziert wurde. Für den bereits vollzogenen unrechtmässigen Arrest machte der Beschwerdeführer Schadenersatz geltend, der ihm im Verwaltungsverfahren nicht gewährt wurde. Die anwendbare Bestimmung von § 6 Abs. 2 HaftG/ZH setze Arglist voraus, welche dem Chef der anordnenden Vollzugsbehörde nicht vorgeworfen werden könne. Vor Gericht scheiterte der Häftling über zwei Instanzen zunächst daran, dass ihm die unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit seiner Schadenersatzforderung verweigert wurde.
Das Bundesgericht als vierte Instanz schützt nun die Verfassungsbeschwerde des Häftlings (BGer 1D_7/2010 vom 28.09.2010):
In Frage steht nicht ein Fehler in der Rechtspflege, sondern eine Persönlichkeitsverletzung durch den unrechtmässigen Arrest als Disziplinarmassnahme. Eingriffe in das Grundrecht der persönlichen Freiheit, welche nicht durch die Ausübung hoheitlicher Gewalt gerechtfertigt sind, sind per se widerrechtlich. Die Staatshaftung auf jene äusserst seltenen Konstellationen zu beschränken, in welchen die anordnende Behörde geradezu arglistig gehandelt hat, dürfte nicht der ratio legis von § 6 HaftG/ZH entsprechen. Würde man der Argumentation der Vorinstanz folgen, wonach § 6 Abs. 2 HaftG/ZH in allen Fällen anzuwenden ist, in welchen ein Entscheid im Rechtsmittelverfahren geändert wird, käme die in Abs. 1 als Regelfall vorgesehene Kausalhaftung im Ergebnis kaum je zum Tragen. Für eine solche extensive Auslegung der Ausnahmebestimmung von § 6 Abs. 2 HaftG/ZH finden sich – soweit ersichtlich – in der Praxis jedoch keine Hinweise (E. 2.5).
Die Vorinstanz muss nun das das Rechtsmittel gegen das abgewiesene UP-Gesuch neu beurteilen und – womöglich mit anderer Begründung – abweisen.
Die Frage der UP ist eigentlich ein Nebenschauplatz, der erst erlaubt, den Scheinwerfer auf Kleidungsvorschriften, die offenbar in schweizerischen Strafvollzugsanstalten herrschen, zu richten. Der Titel ist diesbezüglich richtig gewählt und weist auf ein Gebiet, mit dem sich die klassische Rechtswissenschaft selten beschäftigt: die Disziplinarreglemente und Weisungen der Strafvollzugseinrichtungen.
Offenbar handelt es sich dabei um ein eher trauriges Kapitel…
Und doppelt traurig scheint mir, dass es das Bundesgericht braucht, um die entschädigungsrechtliche Aufarbeitung dieser Arreststrafe überhaupt erst zu ermöglichen…
Ich verstehe es eben auch nicht, weshalb alles immer durch alle Instanzen durch muss und alle die Vorinstanzen bestätigen und dann vielfach das Bundesgericht alles wieder aufhebt.
Irgendwie scheint es mir so, dass es bis zum Bundesgericht gar keine Einzelinstanzen sind, sondern analog zu Preisabsprachen in der Wirtschaft, hier irgendwie so was wie Instanzabsprachen stattfinden und erst das Bundesgericht jeweils richtig prüft und entscheidet.
Manchmal bezweifle ich sogar ernsthaft die Unbefangenheit der sogenannten Instanzen, vor allem dann wenn die erste Instanz quasi zur zweiten Instanz gehört oder die eine Instanz quasi Vorgesetzter der anderen ist, kann man doch gar nicht mehr von einzelnen Instanzen sprechen, jedenfalls traue ich der Unbefangenheit bei solchen Konstellationen nicht mehr.
Immerhin scheint aber das BGer unbefangen zu sein, zum Glück, auch wenn das manchmal wegen der begrenzten Kognition dann dennoch ein bisschen unbefriedigend ist.