Transparenz im Begutachtungsprozess
Das Bundesgericht zwingt die Gutachter zu mehr Transparenz und “uneingeschränkter Verantwortung” für die Befundauswertung und -Beurteilung (BGE 6B_884/2014 vom 08.04.2015, AS-Publikation vorgesehen). Es schränkt damit die Delegation der Gutachtertätigkeit an Hilfspersonen stark ein, jedenfalls in der Theorie. Ein solcher Entscheid war längst fällig, wird aber die Gutachter nicht beeindrucken, solange die Einhaltung der Transparenz durch die verweigerten Teilnahmerechte nicht überprüfbar ist.
Das Bundesgericht stellt insbesondere fest, dass es halt eben nicht reicht, die Verantwortung für ein Gutachten zu übernehmen, welches beigezogene Hilfspersonen erstellt haben (BGE 6B_884/2014 vom 08.04.2015, AS-Publikation vorgesehen).
Aus dem Gutachten des FPD vom 17. April 2012 geht die Funktion, welche die Psychologin Dr. phil. H. bei der Erstellung des Gutachtens hatte, nicht klar hervor. Dabei handelt es sich nicht nur um einen “Schönheitsfehler”. Art. 187 Abs. 1 StPO schreibt ausdrücklich vor, dass der Beizug von weiteren Personen bei der Ausarbeitung des Gutachtens transparent zu machen ist, indem die beigezogenen Personen namentlich zu nennen sowie Art und Inhalt ihrer Mitwirkung bzw. ihres konkreten Beitrags anzugeben sind (Marianne Heer, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 11 zu Art. 183 StPO und N. 9 zu Art. 187 StPO). Die oben erwähnten Umstände deuten darauf hin, dass Prof. Dr. med. G. Dr. phil. H. nicht nur für die Beurteilung einzelner Aspekte beizog, sondern ihr die Ausarbeitung vollständig übertrug und Letztere die Grundlagen der Beurteilung sowie die Diagnose erstellte und daraus die Schlussfolgerungen zog. Zwar übernahm Prof. Dr. med. G. durch die Mitunterzeichnung die Verantwortung für das Gutachten. Dies reicht indessen im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht aus. Danach darf der psychiatrische Sachverständige zwar bei der Begutachtung für die Beurteilung einzelner Aspekte angesichts der interdisziplinären Fragestellung eine psychologische oder weitere Fachpersonen beiziehen (BGE 140 IV 49 E. 2.7 S. 56; Urteil 6B_850/2013 vom 24. April 2014 E. 2.2). Er darf jedoch die psychologische Fachperson nicht mit der vollständigen Bearbeitung sowie Beantwortung der wesentlichen Gutachterfragen beauftragen, und letztlich mit seiner Unterschrift die Untersuchungsergebnisse lediglich übernehmen. Vielmehr muss der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie stets die Leitung und Organisation der Begutachtung innehaben; dabei kann er andere Fachpersonen mit einzelnen, klar umschriebenen Teilen seiner Aufgabe, wie beispielsweise Fragen aus der allgemeinen Medizin, der Psychologie und der Neurologie betrauen, muss jedoch für die Befunderhebung, die Befundauswertung und die Befundbeurteilung die uneingeschränkte Verantwortung übernehmen können (vgl. Schreiber/ Rosenau, Der Sachverständige im Verfahren und in der Verhandlung, in: Psychiatrische Begutachtung, Venzlaff/Foerster [Hrsg.], 5. Aufl. München 2009, S. 159; Marianne Heer, a.a.O., N. 11 zu Art. 183 StPO; Niklaus Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, S. 295 f. Rz. 807 f.; Joëlle Vuille, a.a.O., N. 12 zu Art. 185 StPO; zum Beizug von Hilfs- und Fachpersonen siehe auch: Maier/Möller, Das gerichtspsychiatrische Gutachten gemäss Art. 13 StGB, 1999, S. 109 ff.; Marc Helfenstein, Der Sachverständigenbeweis im schweizerischen Strafprozess, 1978, S. 158 ff.) [E. 3.4.2, Hervorhebungen durch mich].