Aargauische Honorarkürzungen von Amts wegen

Das Obergericht des Kantons Aargau hat sich den Ruf verschafft, Anwaltshonorare besonders kritisch zu prüfen und regelmässig von Amts wegen massiv zu kürzen. Das ist ihm so wichtig, dass es in Kauf nimmt, Bundesrecht zu verletzen, was dann jeweils das Bundesgericht feststellen muss (vgl. dazu meinen früheren Beitrag).

Im neusten Entscheid (BGer 6B_769/2016 vom 11.01.2017) hielt das Bundesgericht zunächst fest, dass im Berufungsverfahren von Amts wegen nur ausnahmsweise korrigiert werden darf:

In einem kürzlich ergangenen Entscheid hielt das Bundesgericht fest, wenn die Entschädigung für die amtliche Verteidigung weder vom Beschuldigten noch von der Staatsanwaltschaft angefochten bzw. beanstandet werde, sei von der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils bezüglich dieser Entschädigung auszugehen. Die Voraussetzungen für eine Korrektur dieser Entschädigung von Amtes wegen nach Art. 404 Abs. 2 StPO seien nicht erfüllt, wenn nicht ersichtlich sei, dass die erste Instanz das ihr zustehende Ermessen in unhaltbarer Weise ausgeübt habe, auch wenn das genehmigte Honorar recht hoch erscheine. Für die Überprüfung der amtlichen Entschädigung von Amtes wegen bestehe kein Anlass, wenn die erstinstanzliche Entscheidung hinsichtlich des amtlichen Honorars nicht geradezu gesetzwidrig oder unbillig sei (Urteil 6B_349/2016 vom 13. Dezember 2016 E. 2.4.2) [E. 2.3].

In der Sache zerpflückte das Bundesgericht zudem die Begründung der Vorinstanz, die offenbar nicht ganz redlich war:

Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Aufwand von 94.31 Stunden bzw. ihr von der ersten Instanz genehmigtes Honorar von Fr. 23’537.40 ist sehr hoch. Die Vorinstanz begründet die Kürzung, es sei nicht ersichtlich, dass sich komplizierte Fragen hätten stellen können, wenn auch zu berücksichtigen sei, dass es sich weitgehend um sog. Vier-Augen-Delikte gehandelt habe. Bei der von der Beschwerdeführerin eingereichten Kostennote könne nur teilweise überprüft werden, ob die aufgeführten Aufwendungen geboten gewesen seien und ob sie überhaupt das Strafverfahren betroffen hätten. So fänden sich darin – ohne nähere Beschreibung – zahlreiche Posten betr. Korrespondenz nicht nur mit dem Beschuldigten, sondern auch mit dessen Mutter und anderen Privatpersonen (Urteil S. 27 f. E. 7.4). Der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Die von der Beschwerdeführerin eingereichte Kostennote erweist sich als ausgesprochen detailliert und bezeichnet neben den jeweiligen Posten (z.Bsp. Telefon, Brief, Einvernahme etc.) auch den genauen Betreff sowie die jeweils involvierte Person (act. 4/3). Sodann belaufen sich die von der Vorinstanz beanstandeten Posten betr. Korrespondenz mit Drittpersonen auf insgesamt 9.155 Stunden (vgl. Aufschlüsselung der Beschwerdeführerin, act. 4/5) und vermögen die fast hälftige Kürzung der Entschädigung, mithin die Streichung von über 40 Stunden Aufwand, durch die Vorinstanz nicht zu rechtfertigen. Selbst im Lichte der gesamten vorinstanzlichen Erwägungen kann nicht die Rede davon sein, dass die Entscheidung der ersten Instanz bezüglich des Honorars für die amtliche Verteidigung geradezu gesetzeswidrig oder krass unbillig ist (E. 2.4, Hervorhebungen durch mich).

Das Obergericht erwägt sogar, die Verteidigerin habe möglicherweise Aufwand geltend gemacht, die gar nicht zum Strafverfahren gehörte. Das zeigt etwa, welchen Ruf Strafverteidiger beim Obergericht des Kantons Aargau geniessen. Wir können uns aber immerhin damit trösten, dass wir im Gegensatz zum Obergericht nicht fast schon serienmässig rechtswidrige Entscheide produzieren.