Aargauische Rückweisungsbeschlüsse zum Zweiten
Erneut kassiert das Bundesgericht in Fünferbesetzung einen Rückweisungsbeschluss des Obergerichts AG an die erste Instanz (BGer 6B_1335/2019 vom 29.06.2020). Auch diesmal erfolgte die Rückweisung bereits aufgrund einer Gehörsverletzung (vgl. dazu meinen letzten Beitrag).
Solche Beschlüsse enthalten etliche interessante Rechtsfragen wie beispielsweise diejenige nach dem Verschlechterungsverbot, welche die Vorinstanz selbst wie folgt beurteilt hatte:
Der Rückweisungsbeschluss könne unmittelbar nach Eingang der Berufungserklärung ergehen und unterliege als Zwischenentscheid nicht der Beschwerde in Strafsachen. Fraglich erscheine zudem, ob der Fall in die Kompetenz des Einzelrichters falle (§ 11 EG StPO/AG). Sofern sich Tatsachen ergäben, die dem Bezirksgericht mangels Einvernahme der Zeugen und Auskunftspersonen nicht bekannt gewesen seien, gelange das Verschlechterungsgebot im zu wiederholenden erstinstanzlichen Verfahren nicht zur Anwendung (E. 1.2).
Ob diese Auffassung richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Geklärt ist hingegen das weitere Vorgehen, was ich bei der ersten Version dieses Beitrags übersehen hatte:
Die Sache ist zur Durchführung des Berufungsverfahrens nebst Erhebung allfälliger zusätzlicher Beweise gemäss Art. 389 Abs. 3 StPO an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Sache wird, falls der Beschwerdeführer seine Berufung nicht zurückzieht, durch eine andere Kammer des Strafgerichts der Vorinstanz zu beurteilen sein. Die erkennende Kammer äussert im Rückweisungsbeschluss Bedenken an der Zuständigkeit des Einzelrichters, obwohl für die von der Staatsanwaltschaft beantragte (und vom Bezirksgericht ausgesprochene) Strafe von neun Monaten gemäss § 11 EG StPO, auf den die Vorinstanz verweist, der Einzelrichter zuständig ist. Damit hat die Vorinstanz vor abschliessender Kenntnis aller entscheidrelevanten Umstände zum Ausdruck gebracht, dass sie die erstinstanzliche Strafe als zu niedrig erachtet, was den Anschein einer möglichen Voreingenommenheit begründet (E. 3.3, Hervorhebungen durch mich).
Handelt es sich beim Obergericht des Kantons Aargau um ein Laiengericht oder gibt es auch Richter mit juristischer Ausbildung?
Alles ausgebildete Juristen. Soweit ich es beurteilen kann sind es auch gute, wenn nicht sogar sehr gute Juristen.