(Aargauischer) Justizirrtum

Im Kanton Aargau wurde ein Beschuldigter im abgekürzten Verfahren zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, an die 46 Tage Untersuchungshaft angerechnet wurden. Anderthalb Jahre später reichte der Beschuldigte, vertreten durch seinen neuen Anwalt, ein Revisionsgesuch ein und verlangte gleichzeitig die Berichtigung der anzurechnenden Untersuchungshaft von 46 auf 98 Tage. Die Berichtigung ist – unter welchem Titel auch immer (ev. Art. 83 StPO?) – durch das urteilende erstinstanzliche Gericht vorgenommen worden (ohne Ausrichtung einer Entschädigung), worauf das Revisionsgericht das Revisionsgesuch abgewiesen hat. Dass in einem abgekürzten Verfahren, an dem nebst dem Beschuldigten immerhin Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht mitwirken, fast zwei Monate Untersuchungshaft vergessen werden, ist schwer erklärlich.

Etwas erklärlicher wird es möglicherweise, wenn man die Begründung des Revisionsgesuchs zur Kenntnis nimmt, welche aus dem (abweisenden) Urteil des Bundesgerichts hervorgeht (BGer 6B_616/2014 vom 10.11.2014):

[Der Beschwerdeführer] rügt eine Verletzung von Art. 410 Abs. 1 lit. c StPO und macht geltend, sein Geständnis sei unter Einwirkung strafbaren Verhaltens des damaligen Mittäters A. sowie unter Verletzung strafprozessualer und standesrechtlicher Vorschriften des zuständigen Staatsanwalts respektive des amtlichen Verteidigers zustande gekommen. Es fehle mithin an seiner rechtsgültigen Zustimmung zur Durchführung des abgekürzten Verfahrens (E. 3).

Das Bundesgericht lässt sowas nicht gelten. Die Frage, ob eine Revision gegen ein im abgekürzten Verfahren ergangenes überhaupt möglich ist, lässt es leider offen:

Selbst wenn man eine Revision mit der herrschenden Lehre entgegen der Botschaft (…) in engen Grenzen als erforderlich und zulässig erachtet, sind vorliegend die Voraussetzungen von Art. 410 Abs. 1 lit. c StPO offensichtlich nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer führt selbst zutreffend aus, dass das angeblich strafprozessuale und standesrechtliche Vorschriften verletzende Verhalten des zuständigen Staatsanwalts respektive seines damaligen amtlichen Verteidigers nicht strafbar ist. Auf seine diesbezüglichen Ausführungen ist nicht weiter einzugehen, zumal mit der Revision keine Verfahrensverstösse, sondern nur die materielle Urteilsgrundlage gerügt werden kann (vgl. Urteile 6B_288/2012 vom 6. Dezember 2012 E. 1; 6F_14/2013 vom 6. Januar 2014 E. 2).

Dass A. durch eine strafbare Handlung auf das Verfahrensergebnis eingewirkt habe, hat sich weder durch ein Urteil in einem anderen Strafverfahren ergeben, noch ist ein solches zumindest eingeleitet worden (vgl. Urteile 6B_425/2014 vom 21. Juli 2014 E. 5; 6F_17/2012 vom 19. Dezember 2012 E. 2.4). Der Beschwerdeführer verkennt zudem, dass Revisionsbegehren gestützt auf Art. 410 Abs. 1 lit. c StPO nicht mit blossen Tatsachenbehauptungen begründet werden können. Letztlich setzt sich der Beschwerdeführer mit den vorinstanzlichen Erwägungen, seine Vorbringen seien nicht glaubhaft, nicht auseinander. Er zeigt nicht auf, inwieweit diese willkürlich sein sollten und beschränkt sich darauf, wie in einem Berufungsverfahren frei zur Beweiswürdigung zu plädieren. Seine pauschale Behauptung, er habe dem abgekürzten Verfahren zwar zugestimmt, sei aber in Wirklichkeit nicht geständig, ist sowohl im kantonalen Revisionsverfahren als auch vor Bundesgericht ungeeignet, sein Revisionsgesuch zu begründen (E. 5).
Dass mit der Revision keine Verfahrensverstösse geltend gemacht werden können, halte ich – gerade im abgekürzten Verfahren, das missbrauchsanfällig und offenbar auch fehleranfällig ist – in dieser absoluten Form für unverständlich. Es gilt daher weiterhin, dass Strafanzeige einreichen muss, wer eine Chance auf Revision haben will.