Aargauisches Berufungsverfahren
Das Obergericht AG hat ein weiteres Mal versucht, einen Straffall durch Würdigung von Einvernahmeprotokollen zu entscheiden, ohne die einvernommenen Personen anzuhören. Auch diesen Versuch kassiert das Bundesgericht (BGer 6B_1189/2018 vom 12.09.2019).
Im vorliegenden Fall ging es um eine “Aussage gegen Aussage”-Situation, von der man ja mittlerweile genau weiss, wie sie das Bundesgericht beurteilt:
Damit geht die Vorinstanz zwar zu Recht – zumindest implizit – von strittigen Sachverhaltsfragen und einer “Aussage gegen Aussage”-Situation aus. Sie beschränkt sich indessen auf die Würdigung der Einvernahmeprotokolle. Dabei stellt sie in den Aussagen des Beschwerdegegners 2 verschiedene Widersprüche fest. Namentlich sei unklar, ob der Beschwerdeführer anfänglich ohne Eisenstange auf den Beschwerdegegner 2 zugegangen sei oder ob er sich schon zu Beginn mit der Stange in der Hand genähert habe. Auch in den Aussagen des Beschwerdeführers erkennt die Vorinstanz eine Vielzahl von Widersprüchen, etwa im Zusammenhang mit dem vom Beschwerdegegner 2 verwendeten Messer oder in Bezug auf das “Realisieren der Stichwunde bzw. des Blutes” (angefochtener Entscheid S. 15 ff.). Vor diesem Hintergrund durfte sie nicht auf eine Befragung und eine mündliche Berufungsverhandlung verzichten. Die Befragung der Parteien hätte es ihr insbesondere ermöglicht, einen persönlichen Eindruck von deren Aussageverhalten zu gewinnen und sie mit den offensichtlich bestehenden Widersprüchen und Ungereimtheiten ihrer Tatversion (en) zu konfrontieren. Dies umso mehr, als bereits die erste Instanz auf entsprechend konfrontative Fragen verzichtet hat (…). Der angefochtene Entscheid verletzt folglich Art. 343 Abs. 3 StPO. Die Erledigung im schriftlichen Berufungsverfahren verstösst zudem gegen Art. 406 StPO und Art. 389 Abs. 3 StPO (E. 2.2).