Abgekürztes Verfahren: qui tacet, non consentire videtur

Wer im abgekürzten Verfahren anlässlich der Hauptverhandlung schweigt, stimmt der Anklage gemäss einem neuen Bundesgerichtsentscheid, der zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen ist, nicht zu. (BGE 6B_513/2012 vom 24.06.2013):

Das gerichtliche Bestätigungsverfahren ist einer der gesetzlich vorgesehenen Schutzmechanismen im abgekürzten Verfahren. Die Befragung der beschuldigten Person anlässlich der Hauptverhandlung stellt dabei ein wesentlicher Bestandteil dar. Die Anerkennung des angeklagten Sachverhalts durch die beschuldigte Person gemäss Art. 361 Abs. 2 lit. a StPO muss als Erneuerung des Geständnisses verstanden werden, das diese bereits im Vorverfahren ablegte. Angesichts des Ausnahmecharakters des abgekürzten Verfahrens kann auf eine solche Bestätigung nicht verzichtet werden. Wenn sich die beschuldigte Person an der Hauptverhandlung auf ihr Aussageverweigerungsrecht beruft, kann das Gericht seine Prüfungspflichten nicht wahrnehmen. In einem solchen Fall kann es lediglich feststellen, dass die Voraussetzungen für ein Urteil im abgekürzten Verfahren nicht erfüllt sind, weshalb die Akten nach Art. 362 Abs. 3 Satz 1 StPO an die Staatsanwaltschaft zur Durchführung eines ordentlichen Vorverfahrens zurückzuweisen sind. Die Verweigerung der Aussage an der Gerichtsverhandlung führt zwar faktisch zur Möglichkeit, die (grundsätzlich unwiderrufliche, vgl. Art. 360 Abs. 2 StPO) Zustimmung zur Anklageschrift zu widerrufen. Diese Folge ist aber hinzunehmen, wenn sich das Gericht nicht persönlich davon überzeugen kann, dass die beschuldigte Person den angeklagten Sachverhalt anerkennt. Andernfalls könnte ebenso gut auf die Durchführung einer Hauptverhandlung und das gerichtliche Bestätigungsverfahren verzichtet werden (E. 2.6).

Obwohl auch die Argumentation der Vorinstanz einiges für sich hat, ist der Entscheid des Bundesgerichts wohl richtig. Er eröffnet aber auch taktische Möglichkeiten für die Verteidigung, die nicht zu unterschätzen sind.