Aggressive Verteidigung c. nicht emotionsfreie Anklage

Das Bundesgericht hält einen Staatsanwalt, der etwas unkonventionell vorzugehen scheint und sich dafür auch bereits eine Strafanzeige des Beschwerdeführers eingehandelt hat, für nicht befangen (BGer 1B_183/2009 vom 13.10.2009). Hier ein paar Schmankerl aus dem Urteil des Bundesgerichts:

Der Ausdruck “aggressive Verteidigung” ist nach Bundesgericht eher als Lob denn als Kritik zu verstehen:

Mit dem Ausdruck “aggressive Verteidigung” wird indessen keineswegs eine eindeutig negative Vorstellung assoziiert. Er kann zwar einen negativen Beigeschmack erwecken, etwa in dem Sinne, dass dem Beschuldigten mit einer eher kooperativen Verteidigungsstrategie besser gedient wäre als mit einer strikt konfrontativen. Dies muss indessen nicht sein, mit “aggressiv” wird in der Regel eine Verteidigung bezeichnet, die man als forsch und kompromisslos einstuft, die jederzeit bereit ist, dem Untersuchungsrichter oder Ankläger unerschrocken Paroli zu bieten und alles unternimmt, was dem Mandanten zum Vorteil gereichen könnte. Der Staatsanwalt erscheint somit keineswegs als befangen, weil er die Verteidigung des Beschwerdeführers als aggressiv bezeichnete, ganz abgesehen davon, dass dieser gar nicht geltend macht, diese Beurteilung sei unzutreffend (E. 3.1).

Zum Vorwurf des Staatsanwalts, der Beschwerdeführer habe förmlich Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft eingereicht, führt das Bundesgericht aus:

Im Kanton Zürich sind Behörden und Beamte, was ihm als Zürcher Rechtsanwalt bewusst sein muss, verpflichtet, strafbare Handlungen, die ihnen bei der Ausübung ihrer Amtstätigkeit zur Kenntnis gelangen, anzuzeigen (…). Der Beschwerdeführer hat somit alles Erforderliche vorgekehrt, um die Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen den Vorgänger des Staatsanwaltes und dessen Mitarbeiterin zu bewirken. Insofern ist die Äusserung des Staatsanwaltes, der Beschwerdeführer habe eine (förmliche) Strafanzeige eingereicht, allenfalls ungenau. Faktisch hat dieser deren Verfolgung verlangt, die Aussage des Staatsanwaltes trifft in der Sache zu und ist daher jedenfalls nicht geeignet, ihn befangen erscheinen zu lassen (E. 3.3).

Der Beschwerdeführer wirft dem Staatsanwalt eine Verletzung des Amtsgeheimnisses vor. Der Staatsanwalt bezeichnet diesen Vorwurf gegen sich selbst als “Wahndelikt”. Dazu das Bundesgericht:

Die Formulierung mag zwar etwas salopp erscheinen, lässt aber nicht ohne Weiteres auf eine Befangenheit des Staatsanwaltes schliessen. Wer wie der Beschwerdeführer harte und auch überzogene, nur teilweise mit sachlichen Argumenten untermauerte Kritik äussert und dem Staatsanwalt pauschal die Fähigkeit und den Willen abspricht, die Verfahren gegen ihn in einer recht- und gesetzmässigen Weise zu führen, hat keinen Anlass, jede Formulierung der kritisierten Gegenseite auf die Goldwaage zu legen. Er muss sich vielmehr bis zu einem gewissen Grad gefallen lassen, dass auch diese nicht emotionsfrei reagiert und etwas Mühe bekundet, Gelassenheit zu bewahren (E. 3.4).

Befangenheit wird auch nicht dadurch begründet, dass der Staatsanwalt dem Beschwerdeführer vorwirft, einem Gericht gegenüber falsche Angaben gemacht zu haben:

Auch wenn der Ausdruck “falsche Angaben” normalerweise für unwahre Tatsachenbehauptungen verwendet wird und in diesem Zusammenhang missverständlich ist, kann doch kein ernsthafter Zweifel daran aufkommen, dass der Staatsanwalt den Beschwerdeführer nicht einer wissentlich unwahren Sachdarstellung bezichtigte, sondern einer unzutreffenden Beurteilung der Massgeblichkeit der “Narcisse”-Akten für das Strafverfahren. Er hat ihn damit nicht als Lügner vorverurteilt (E. 3.6).

Das Urteil des Bundesgerichts stand wahrscheinlich unter dem vom Staatsanwalt angesprochenen Eindruck, es gehe dem Beschwerdeführer primär darum, die gegen ihn geführten Verfahren zu verzögern. Anders kann schwerlich erklärt werden, dass der Staatsanwalt nicht als befangen erklärt wurde.

Mich stört an der Argumentation des Bundesgerichts eigentlich nur, dass es Verständnis dafür aufbringt, dass ein Staatsanwalt nicht mehr emotionsfrei reagiert. Von einem Staatsanwalt als hochrangigem Vertreter des Staates, der sein Brot in einer sehr gut geschützten Werkstatt verdient, darf doch wohl erwartet werden, dass er sachlich bleibt und seine Emotionen für sich behält. Wenn er das nicht kann, soll er den Fall abgeben – durchaus auch im Interesse des durch ihn vertretenen Staates.