Akteneinsicht im Haftanordnungsverfahren

In einem Haftanordnungsverfahren des Kantons ZH beantragte die Verteidigung die Zustellung der Haftakten per Fax oder Mail, was Zwangsmassnahmengericht unter Hinweis auf die Möglichkeit, die Akten vor Ort einzusehen, ablehnte; dies obwohl der Verteidigung zur Stellungnahme zum Haftantrag der Staatsanwaltschaft offenbar nur fünf Stunden blieben.

Die dagegen geführte Beschwerde wies das Obergericht ab. Das Bundesgericht tritt nicht auf die Beschwerde ein (BGer 1B_125/2021 vom 15.04.2021, Fünferbesetzung):

Es muss einem Häftling daher auch möglich sein, prozessuale Mängel bzw. eine Verletzung seiner Verfahrensrechte feststellen zu lassen, ohne die Zulässigkeit der Haft als solcher anzufechten, wenn er trotzdem an der aufgeworfenen Rechtsfrage ein rechtlich geschütztes Interesse hat. Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch die Frage, ob der Beschwerdeführer anstelle seines Feststellungsbegehrens nicht mit einem Gestaltungsantrag die Haftentlassung hätte beantragen können und die von ihm vorgetragene Rüge vorfrageweise als prozessualen Grund für die Rechtswidrigkeit der Haft hätte aufwerfen müssen (E. 3.3, Hervorhebungen durch mich).

Dass der Antrag auf Haftentlassung ein Gestaltungsantrag sein soll, war mir nicht bekannt, aber das kann man wohl mit Gründen so sehen. Das Nichteintreten auf eine praktisch so wichtige Frage (die sich soweit bekannt allerdings nur im Kanton Zürich stellt) erscheint hingegen als ziemlich gesucht. Der Beschwerdeführer war nicht zur Beschwerde legitimiert:

3.4. Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, dass ausnahmsweise auch ohne aktuelles schutzwürdiges Interesse auf eine Beschwerde einzutreten ist, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen können, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum möglich wäre und die Beantwortung wegen deren grundsätzlicher Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (BGE 139 I 206 E. 1.1, mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt. Insbesondere erweist sich eine rechtzeitige Prüfung der aufgeworfenen Rechtsfrage im Einzelfall im Rahmen eines Antrags auf Haftentlassung nicht als von vornherein ausgeschlossen [wie soll denn das jemals rechtzeitig möglich sein].   

3.5. Sodann mag die abstrakte Klärung der rechtzeitigen Einsichtnahme in die Akten des Haftverfahrens bzw. der behördlichen Pflicht, diese der Verteidigung in geeigneter Form zuzustellen, zwar allenfalls von allgemeinerem Interesse sein, wie der Beschwerdeführer behauptet. Er macht aber selbst nicht nachvollziehbar geltend, vor der Verhandlung [die ja gar nicht stattfand] über keine ausreichende Kenntnis der Haftakten verfügt zu haben. Überdies führt er ebenfalls nicht ausreichend aus und es ist auch nicht ersichtlich, dass er im vorliegenden Verfahren selbst ein rechtlich geschütztes Interesse an der Feststellung des behaupteten prozessualen Mangels in Form einer abstrakten Fragestellung hat, solange wie in seinem Fall noch ein Gestaltungsantrag möglich gewesen wäre und er nicht begründet, warum ein solches Rechtsbegehren von vornherein hätte aussichtslos sein sollen. Dass hier die Grundlage für ein Entschädigungsbegehren wegen rechtswidriger Haft nach Art. 5 Ziff. 5 EMRK bestehen könnte, womit sich unter Umständen gegebenenfalls die Beschwerdeberechtigung begründen liesse, legt der Beschwerdeführer schliesslich ebenfalls nicht in zureichendem Masse dar. Damit fehlt es am erforderlichen rechtlich geschützten Interesse an der erhobenen Beschwerde.   

3.6. Die Beschwerde erweist sich wegen fehlender Legitimation des Beschwerdeführers als unzulässig (Hervorhebungen und Klammerbemerkung durch mich).

Wer diesen Entscheid begründen musste, ist nicht zu beneiden. Immerhin wurde noch die integrale unentgeltliche Rechtspflege gewährt. Aber jetzt ziehen bestimmt andere ZMG nach und zwingen die Anwälte, die Akten vor Ort einzusehen. Das muss dann wohl regelmässig unmittelbar vor der Haftverhandlung geschehen. Auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten kommt damit aber kaum noch infrage. Am Ende wird einfach alles teurer, ohne dass sich die gegen Null tendierenden Chancen auf die Abweisung eines Haftantrags erhöhen würden.