Aktienrecht aus strafrechtlicher Sicht
Das Aktienrecht ist eigentlich ganz einfach. Zu dieser Erkenntnis könnte man kommen, wenn man liest, was Strafrechtler über die Pflichten faktischer Verwaltungsräte oder über die Rechnungslegung sagen. Bei der Rechnungslegung kann man aus strafrechtlicher Sicht eigentlich nichts richtig machen (ausser man betreibt ein Atomkraftwerk in den Kantonen AG oder SO). Bilanziert man zu offensiv drohen Konkursdelikte, bilanziert man zu defensiv drohen Steuerdelikte, in beiden Fällen jedenfalls die unselige Urkundenfälschung. Ist ein Fehler in der Rechnungslegung erst einmal durch einen Richter festgestellt, bringt man ihn als Tatfrage kaum mehr weg.
Ein Beispiel für meine Klage ist ein heute veröffentlichter Bundesgerichtsentscheid (BGer 6B_697/2014 vom 27.02.2015), dem u.a. folgendes zum faktischen Verwaltungsrat entnehmen ist:
Eine Aktiengesellschaft ohne Verwaltungsrat ist handlungsunfähig (…). Gemäss Art. 699 Abs. 1 OR muss in diesem Fall eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen werden. Da dem Beschwerdeführer die Stellung eines faktischen Verwaltungsrates zukam (…), nimmt die Vorinstanz zu Recht an, dass er zur Einberufung der Generalversammlung verpflichtet war (Art. 717 Abs. 1 OR). Dass diese Pflicht nach der genannten Bestimmung auch die Revisionsstelle traf (…), ändert daran nichts. Im Übrigen wird dem Beschwerdeführer entgegen seiner Auffassung nicht vorgeworfen, er habe dem Handelsregisteramt den Tod von A. nicht mitgeteilt. Die Vorinstanz führt lediglich aus, dass das Handelsregisteramt, wenn es über den Wegfall der gesetzmässigen Bestellung der Verwaltung informiert gewesen wäre, die Gesellschaft nach fruchtloser Durchführung des Aufforderungsverfahrens von Amtes wegen als aufgelöst erklärt hätte und somit schon im Herbst 2000 über diese der Konkurs eröffnet worden wäre (vgl. aArt. 708 Abs. 4 OR, in der Fassung vom 4. Oktober 1991, AS 1992 733 786; vgl. nunmehr Art. 731b und 941a OR, Art. 154 Abs. 1 HregV) [E. 3].
Oder für die Rechnungslegung:
Nicht zu beanstanden ist der angefochtene Entscheid auch insofern, als die Vorinstanz annimmt, dass die Aktivierung der angeblichen Forderung ohnehin unzulässig gewesen sei. Gemäss aArt. 662 Abs. 1 OR wird die Jahresrechnung nach den Grundsätzen der ordnungsmässigen Rechnungslegung so aufgestellt, dass die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft möglichst zuverlässig beurteilt werden kann (vgl. Art. 958 OR). Dabei erfolgt die ordnungsgemässe Rechnungslegung u.a. nach dem Grundsatz der Vorsicht (aArt. 662 Abs. 2 Ziff. 3 OR; vgl. nunmehr Art. 958c Abs. 1 Ziff. 5 OR). Der daraus abgeleitete Grundsatz der Imparität besagt, dass Erträge erst realisiert sind, wenn als Folge eines Vorfalls eine rechtlich und tatsächlich durchsetzbare Forderung entstanden ist (…). Das dies hier der Fall wäre, hat die Vorinstanz zu Recht verneint (angefochtenes Urteil S. 45). Es kann auch in dieser Hinsicht auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Insgesamt nimmt die Vorinstanz zu Recht an, dass der Beschwerdeführer angesichts der Überschuldung gestützt auf Art. 725 Abs. 2 OR hätte den Richter benachrichtigen müssen (E. 1.4).
Ich kann diese Erwägungen nicht beanstanden, frage mich aber, wie sie ausfallen würden, wenn dem Beschwerdeführer ein Steuerdelikt vorgeworfen worden wäre.