alteri stipulari nemo potest

In BGE 7B_38/2022 vom 29.04.2024 (Publikation in der AS vorgesehen) hat das Bundesgericht jüngst klargestellt, dass Vergleiche nicht – bzw. nicht ohne behördliche Genehmigung – auf Staatskosten abgeschlossen werden dürfen. Schliessen die Parteien einen Vergleich i.S.v. Art. 316 StPO ab, sollten sie deshalb nicht nur über die Kosten, sondern auch über die Entschädigungen äussern und versuchen, den Vergleich durch die zuständige Strafbehörde genehmigen zu lassen. Ansprüche gegen den Staat entstehen mithin nur im Falle eines von der Behörde genehmigten Vorbehalts einer Entschädigung zulasten der Staatskasse. Dies ergibt sich laut Bundesgericht aus der Anwendbarkeit von Art. 427 StPO, der auf den Fall eines Vergleichs i.S.v. Art. 316 StPO zugeschnitten ist:

Im vorliegenden Fall haben die Parteien in ihrem Vergleich eine Regelung über “weitergehende Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche” getroffen. Einen Vorbehalt zugunsten von Entschädigungsansprüchen, die der Staat zu tragen hätte, geht aus dieser Regelung nicht hervor. Die Staatsanwaltschaft hat denn auch keinen solchen Vorbehalt zu ihren Lasten genehmigt. Damit sind aber weitergehende Entschädigungsansprüche zulasten des Staates ausgeschlossen. Dies umso mehr, als nach der Rechtsprechung zur Auslegung von Vergleichsverträgen im Allgemeinen Folgendes gilt: Wenn Fragen nicht ausdrücklich geregelt sind, die in engem Zusammenhang mit den vergleichsweise beigelegten Meinungsverschiedenheiten stehen und deren Beantwortung sich zur Beilegung des Streits aufdrängt, darf in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie von den Parteien mangels eines ausdrücklichen Vorbehalts nicht vom Vergleich ausgenommen werden sollten (Urteil 5A_89/2021 vom 29. August 2022 E. 5.6.2 mit zahlreichen Hinweisen auf die Judikatur). Nichts anderes gilt für die vorliegende Entschädigungsfrage, für die keine ausdrückliche Regelung im Sinne eines Vorbehalts zulasten des Staates getroffen worden ist (E. 2.3).