Amtlich oder unentgeltlich verteidigt?
Das Obergericht des Kantons Bern muss zum dritten Mal über die Entschädigungsfolgen eines Haftbeschwerdeverfahrens entscheiden (BGer 6B_1144/2016 vom 15.06.2017). Beim ersten Mal hatte es den Gehörsanspruch des Beschwerdeführers verletzt, indem es nicht über dessen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 29 Abs. 3 BV entschieden hatte (s. BGer 6B_834/2016 vom 16.08.2016). Beim zweiten Mal kam es auf die kühne Idee, das Gesuch wieder nicht zu behandeln.
Im neuen Entscheid verletzte die Vorinstanz somit – ja was wohl? – Art. 29 Abs. 3 BV:
Die Argumentation, die unentgeltliche Rechtspflege sei für die beschuldigte Person in der StPO nicht vorgesehen und könne ihr deshalb nicht gewährt werden, hat das Bundesgericht unter Hinweis auf den verfassungsrechtlichen Anspruch ausdrücklich als unzutreffend verworfen (Urteil 1B_103/2017 vom 27. April 2017 E. 4). Indem die Vorinstanz auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht eintritt, verletzt sie Bundesrecht (Art. 29 Abs. 3 BV) [E. 1.3]
Man darf gespannt sein, mit welchem Argument das Obergericht das Gesuch beim dritten Versuch nicht behandeln wird. Zugunsten des Obergerichts ist immerhin zu bemerken, dass der Beschwerdeführer im Haftverfahren m.E. Anspruch auf amtliche Verteidigung hatte (bei notweniger Verteidigung dann auch unabhängig von Einkommen und Vermögen). Insofern bin ich nicht sicher, ob ich mich über die gutgeheissene Beschwerde freuen oder ärgern soll.
Im zweiten Absatz sollte es wohl heissen: “Im neuen Entscheid verletzte das Obergericht…” bzw. “die Vorinstanz”. Das Bundesgericht verletzt m.E. Art. 128 ff. StPO, falls es den Anspruch auf notwendig/amtliche Verteidigung im Haftverfahren prinzipiell verneint. Jedenfalls würde es wenig Sinn machen, wenn die Bestimmungen über die notwendige/amtliche Verteidigung nur für das Strafverfahren im engeren Sinn gelten, nicht aber für das Haftverfahren.
Danke, Malo, hast wie immer Recht.