Amtliche Verteidigung im Haftbeschwerdeverfahren?
Anwalt X. vertritt einen Beschuldigten in einem Fall notwendiger Verteidigung als amtlicher Verteidiger. Im Namen seines Klienten hat er einen Haftentscheid des ZMG an die kantonale Beschwerdeinstanz gezogen. Diese hat die Beschwerde abgewiesen und das Begehren um amtliche Verteidigung abgewiesen, obwohl X. gar kein entsprechendes Gesuch gestellt hatte (zumal er ja bereits als amtlicher Verteidiger eingesetzt war). Anwalt X. führt dagegen Beschwerde in eigenem Namen. Das Bundesgericht tritt in Fünferbesetzung nicht ein und auferlegt ihm die Verfahrenskosten (BGer 1B_705/2011 vom 09.05.2012):
Kein Beschwerderecht wegen Nichteinbringlichkeit des Honorars:
Trägerin des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege ist ausschliesslich die Prozesspartei, welche die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt (Urteile 5P.220/2003 vom 23. Dezember 2003 E. 3.1, 5P.164/2005 vom 29. Juli 2005 E. 1.3). Folglich ist nur diejenige Person, deren Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen worden ist, berechtigt, den abweisenden Entscheid anzufechten. Hingegen kann der Anwalt, der im Namen der von ihm vertretenen Person erfolglos ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt hat, dagegen nicht in eigenem Namen vorgehen. Zwar hat er unter Umständen ein faktisches Interesse an der Abänderung des ablehnenden Entscheids, nämlich wenn sich die Forderung gegenüber der von ihm vertretenen Person für bereits erbrachte Leistungen als nicht einbringlich erweist. Es fehlt ihm diesbezüglich indessen ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG (BGE 125 I 161 E. 2a S. 162; Urteil 5P.164/2005 vom 29. Juli 2005 E. 1.3)[E. 2.2].
Kein Beschwerderecht aus Art. 135 Abs. 3 StPO:
Nun räumt Art. 135 Abs. 3 StPO der amtlichen Verteidigung ausdrücklich das Recht ein, gegen den Entscheid über die Entschädigung des amtlichen Verteidigers Beschwerde zu führen, wobei die Beschwerde je nach Vorinstanz an die kantonale Beschwerdeinstanz oder ans Bundesstrafgericht zu richten ist. Voraussetzung für eine solche Beschwerde ist indessen, dass die amtliche Verteidigung für das betreffende Verfahren gewährt worden ist (vgl. E. 2.2 hiervor sowie Urteil 5P.164/2005 vom 29. Juli 2005 E. 1.3) [E. 2.3.1, Hervorhebungen durch mich].
[…]
Der im Strafuntersuchungsverfahren eingesetzte amtliche Verteidiger wirkt im Haftbeschwerdeverfahren – jedenfalls wenn die beschuldigte Person beschwerdeführende Partei ist – nicht automatisch als unentgeltlicher Rechtsbeistand mit und zwar auch dann nicht, wenn die beschuldigte Person im Hauptverfahren notwendigerweise verteidigt werden muss (NIKLAUS RUCKSTUHL, Basler Kommentar StPO, Basel 2011, Art. 130 N. 10; a.M. NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich 2009, Art. 130 N. 2). Dies ergibt sich aus der nach dem Inkrafttreten der StPO beibehaltenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bei Beschwerden gegen die Anordnung bzw. Verlängerung von Untersuchungshaft von der Nichtaussichtslosigkeit der Beschwerde abhängig gemacht werden kann, und zwar auch dann, wenn die beschuldigte Person im Hauptverfahren die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung erfüllt (vgl. Urteil 1B_732/2011 vom 19. Januar 2012 E. 7.1 f. mit Hinweisen) [E.2.3.2].
Das ergibt sich aus der zitierten Rechtsprechung gerade nicht bzw. nur für den Fall aussichtsloser Rechtsmittel. Dass hier die Haftbeschwerde aussichtslos gewesen sein soll, geht aus dem Entscheid des BGer jedenfalls nicht hervor. Es ergibt sich wenn schon aus den Materialien zur StPO. Ergebnis:
Nach dem Gesagten war der Beschwerdeführer für das vorinstanzliche Verfahren nicht als amtlicher Verteidiger eingesetzt. Die Vorinstanz war zuständig, darüber zu befinden, ob die beschuldigte Person für das vor ihr geführte Haftbeschwerdeverfahren Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand hat (E. 2.3 hiervor). An der Abänderung des Entscheids, mit dem die Vorinstanz die Einsetzung eines amtlichen Verteidigers für das Haftbeschwerdeverfahren verweigert hat, hat der Beschwerdeführer kein rechtlich geschütztes Interesse (E. 2.2 hiervor). Damit ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten (E. 2.4).
Das Ergebnis ist bestimmt richtig. X. hätte nicht in seinem Namen Beschwerde führen sollen. Die eigentlich spannenden Frage ist, wie das Bundesgericht entschieden hätte, wenn im Namen des Klienten Beschwerde geführt worden wäre. Die Erwägungen lassen erahnen, dass eine solche Beschwerde abgewiesen worden wäre, was mir im Lichte des Verfassungsrechts als unhaltbar erscheint. Daran ändert der Wille des Gesetzgebers, den Ruckstuhl an der zitierten Stelle nachweist, wenig.
Dann müsste man als Anwalt wohl vor jeder neuen Instanz – egal ob im eigentlichen Strafverfahren oder in einem Zwangsmassnahmenverfahren – ein neues Gesuch stellen, als amtlicher Verteidiger bzw. unentgeltlicher Rechtsbeistand eingesetzt zu werden. Und riskiert jedes Mal, dass es wegen Aussichtslosigkeit abgelehnt wird und man zwar nicht unbedingt vergeblich arbeitet aber zumindest umsonst. Das sind ja schöne Aussichten für den Klienten, der darauf vertraut, dass sich der Anwalt für ihn einsetzt, obwohl dieser am Ende vielleicht nicht mal bezahlt wird. Ob da die Waffengleichheit noch gegeben ist…?