Amtliche Verteidigung im Rechtsmittelverfahren
Der schweizerische Gesetzgeber anerkennt, dass es Fälle gibt, in denen eine beschuldigte Person formell verteidigt werden muss (Art. 130 StPO). Dass die notwendig amtlich verteidigte beschuldigte Person sich konsequenterweise auch mit den gesetzlich vorgesehenen Rechtsmitteln gegen Verfügungen der Staatsanwaltschaft wehren können müsste, sollte eigentlich klar sein, denn andere Verteidigungsmittel hat sie ja im inquisitorischen Vorverfahren faktisch gar nicht. Die Rechtsprechung sieht das allerdings anders.
Sie scheint immer konsequenter davon auszugehen, Verteidigung könne nur im Hauptverfahren notwendig sein. Im Rechtsmittelverfahren würde es demnach nur die im Gesetz für die beschuldigte Person gar nicht vorgesehene unentgeltliche Rechtspflege geben, die jedesmal neu beantragt und belegt werden muss (BGer 1B_705/2011 vom 09.05.2012, BGer 1B_355/2012 vom 12.10.2012). Das heisst auch, dass eine beschuldigte Person im Beschwerdeverfahren nur verteidigt werden muss, wenn ihre Beschwerde nicht aussichtslos erscheint, was bekanntlich immer erst im Nachhinein entschieden wird. Das Kostenrisiko trägt damit der amtliche Verteidiger, der riskiert, für das Beschwerdeverfahren nicht als unentgeltlicher Rechtsbeistand anerkannt zu werden. So sieht das nun auch das Bundesstrafgericht in einem Fall der Anfechtung abgewiesener Beweisanträge (BStGer BB.2012.186 vom 27.12.2012):
Der Beschwerdeführer stellt den Antrag auf amtliche Verteidigung und begründet diesen mit der Tatsache, dass es sich um einen Fall notwendiger Verteidigung handle, und der Beschwerdeführer nicht über die notwendigen Mittel zur Finanzierung seiner Verteidigung verfüge. Dieser Antrag entspricht in formeller Hinsicht der neuen bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach ein für das Hauptverfahren eingesetzter amtlicher Verteidiger nicht automatisch als unentgeltlicher Rechtsvertreter im Beschwerdeverfahren mitwirkt, sondern von der Beschwerdeinstanz als solcher einzusetzen ist. Diese hat dabei die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege (Bedürftigkeit, Prozessaussichten) zu prüfen (Entscheid des Bundesgerichts 1B_705/2011 vom 9. Mai 2012, E. 2.3 und 2.4). Vorliegend hat der Beschwerdeführer nicht konkret dargelegt, inwiefern ihm ein Rechtsnachteil aus der Wiederholung seiner Beweisanträge vor dem erstinstanzlichen Gericht erwachsen soll, weshalb seine Beschwerde im Sinne der unentgeltlichen Rechtspflege als aussichtslos einzustufen ist. Der Antrag auf amtliche Verteidigung ist deshalb abzuweisen (E. 3).
Verteidigung kann zwar notwendig sein, aber sie soll bitte passiv bleiben, jedenfalls wenn der Beschuldigte nicht zahlen kann.
Cool, kj ist aus den Ferien zurück (oder so).
Manchmal frage ich mich, ob das Bundesgericht überhaupt schon mal einen Blick in die StPO geworfen hat. Jedenfalls würde das erklären, wieso sie manchmal Urteile verfassen, ohne einen einzigen Artikel zu nennen.
Wenn das Bundesgericht z.B. im Haftverfahren nicht die amtliche Verteidigung, sondern die unentgeltliche Prozessführung prüft, so muss es ja als Grundlage jeweils Art. 29 Abs. 3 BV heranziehen. Die bundesgerichtliche Auslegung schafft also gewissermassen eine Lücke in der StPO, die es mit der BV füllt..?