Anforderungen an den Haftgrund der Fluchtgefahr
Wie wenig es braucht, um wegen Fluchtgefahr in strafprozessualer Haft gehalten zu werden, zeigt einmal mehr ein heute online gestellter Entscheid des Bundesgerichts (1B_184/2007 vom 20.09.2007). Er betrifft die Mutter eines Kleinkinds, die der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz verdächtigt wird und sich (wohl nicht zuletzt wegen des Kinds) im vorzeitigen Vollzug befindet. Falls keine konkreten Gründe vorliegen, reichen folgende reichlich abstrakten Kriterien, um die Fluchtgefahr zu begründen:
- Ein hoher Strafantrag: die Schwere der drohenden Strafe gilt als Indiz für Fluchtgefahr. Diesen definiert freilich die Staatsanwaltschaft, die im Haftverfahren Partei ist. Hier waren es 30 Monate (wovon rund 10 bereits verbüsst waren).
- Intakte Beziehungen zu einem anderen Land: Im vorliegenden Fall wurde die “intakte Beziehungen der Beschwerdeführerin zur Dominikanischen Republik” als Begründung anerkannt.
- Kein starkes soziales Netz im Inland: Im vorliegenden Fall wurde das zerrüttete Verhältnis zu ihrem Ehemann herangezogen.
Im Urteil des Bundesgerichts wurden die Gründe wie folgt zusammengefasst:
Ausschlaggebend ist, dass die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten beantragt hat und die Beschwerdeführerin daher mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe rechnen muss, von der sie bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 23. Oktober 2007 erst rund 11 Monate verbüsst haben wird. Ins Gewicht fällt des Weitern, dass die Beschwerdeführerin Staatsangehörige der Dominikanischen Republik ist und zu ihrem Heimtstaat nach wie vor soziale Kontakte pflegt. Bei einer Freilassung könnte sie sich daher ohne weiteres in ihr Heimatland abzusetzen versuchen und ihr eineinhalbjähriges Kind dabei mit sich nehmen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beschwerdeführerin in der Schweiz nicht über ein starkes soziales Netz verfügt. Vor ihrer Verhaftung war sie als Hausfrau tätig, hatte ihren Ehemann aber gemäss eigenen Aussagen schon monatelang nicht mehr gesehen. Bei einer Freilassung wäre sie arbeitslos, und es wäre nicht gesichert, dass sie Rückhalt im Ehe- und Familienleben finden könnte. Daran ändert auch die am 14. Juli 2007 schriftlich verfasste Erklärung des Ehemannes nichts, dass die Beschwerdeführerin bei einer Haftentlassung jederzeit in die eheliche Wohnung zurückkehren könne (E. 2.4).
Sich gegen derart abstrakte Überlegungen verteidigen zu wollen, ist zum Vornherein aussichtslos. Den Betroffenen ein kontradiktorisches Haftprüfungsverfahren zur Verfügung zu stellen, erscheint unter diesen Umständen als reine Alibiübung, welche den Schein der Rechtsstaatlichkeit aufrecht erhalten soll.