Anforderungen an einen Rechtsverzicht

An einen rechtswirksamen Verzicht auf wichtige rechtsstaatliche Verfahrensgarantien wie den konventionsrechtlich garantierten Konfrontationsanspruch sind nach Lehre und Rechtsprechung hohe Anforderungen zu stellen (vgl. dazu Chen, Der Verzicht auf Verfahrensrechte durch die beschuldigte Person im Schweizerischen Strafprozess, 2014, 7 oder Zimmerlin, Der Verzicht des Beschuldigten auf Verfahrensrechte im Strafprozess, 2008, Rz. 324, beide mit zahlreichen Hinweisen).

Man kann es aber auch so machen wie es das Bundesgericht in einem heute veröffentlichten Entscheid zum Verzicht auf den Konfrontationsanspruch tut (BGer 7B_186/2022 vom 14.08.2023). Der erstinstanzlich nicht vertretene Beschuldigte hatte keinen Konfrontationsanspruch gestellt, was ihm – entgegen Lehre und Rechtsprechung, aber mit dem Segen des Bundesgerichts – als Verzicht ausgelegt wurde:

Gegen diese Erwägungen wendet der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, er sei im erstinstanzlichen Verfahren vor der Polizeirichterin nicht anwaltlich vertreten gewesen und habe mit seiner Strafanzeige gegen B. zum Ausdruck gebracht, dass er auf dessen parteiöffentlicher Einvernahme bestehe. Diese Einwände sind nicht stichhaltig und ändern nichts daran, dass der Beschwerdeführer auf die ausdrückliche und klare Aufforderung, Beweisanträge zu stellen, gerade keinen Antrag auf Einvernahme von B. gestellt hat. Die Vorinstanz durfte daher zu Recht von einem entsprechenden Verzicht auf das Konfrontationsrecht ausgehen, womit sich auch die Rüge der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes sowie der auf einer Rechtsverletzung beruhenden Feststellung des Sachverhalts als unbegründet erweist (E. 2.3).  

Vielleicht war für das Bundesgericht entscheidend, dass es nur um eine Übertretung ging. Aber auch im Übertretungsstrafrecht gelten StPO, BV und EMRK.