Anklage durch Gericht definiert
Das Bundesgericht kassiert in BGer 6B_640/2011 vom 14.05.2012 ein Urteil wegen Verletzung des Anklageprinzips, weil die Vorinstanzen die offensichtlich falsche Anklage einfach aufgrund der Akten korrigiert haben. Das ging selbst dem Bundesgericht zu weit:
Der in der Anklageschrift genannte Zeitraum von Januar 2005 bis Januar 2008 an sich ist schon sehr weit gefasst. Hinzu kommt, dass die Angaben in zeitlicher wie auch in örtlicher Hinsicht nicht bloss ungenau, sondern falsch sind. Die erste Instanz nimmt diesbezüglich eigentliche Korrekturen vor und erstellt den Sachverhalt aufgrund der Akten neu, die bereits der Anklagebehörde vorgelegen hätten. Ein derartiger Rückgriff des Richters auf die Akten zwecks Definierung der angeklagten Tat in Abweichung der Anklageschrift – und nicht bloss zu Beweiszwecken – ist unzulässig und verletzt den Anklagegrundsatz (vgl. Urteil 6B_959/2008 vom 22. Januar 2009 E. 1.4 mit Hinweis auf die Literatur). Die Ansicht der Vorinstanz, wonach keine Verletzung des Grundsatzes vorliege, kann nicht geteilt werden. Diese bezieht sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach Ungenauigkeiten in den Zeitangaben insofern nicht von entscheidender Bedeutung sind, als für die beschuldigte Person keine Zweifel darüber bestehen können, welches Verhalten ihr vorgeworfen wird (vgl. Urteil 6B_233/2010 vom 6. Mai 2010 E. 2.3 mit Hinweisen). Indes handelt es sich vorliegend nicht bloss um Ungenauigkeiten, sondern um falsche Angaben. Darüber hinaus ist entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht ersichtlich, inwiefern sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers ergeben sollte, dieser habe durchaus gewusst, gegen welche Vorwürfe er sich zu verteidigen habe. Insgesamt genügt die Anklageschrift in diesem Punkt den Anforderungen nicht. Aufgrund der derart weit gefassten Zeitangabe und insbesondere aufgrund der unrichtigen Angaben in zeitlicher und örtlicher Hinsicht wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen, seine Verteidigungsrechte angemessen auszuüben (vgl. Urteil 6B_1067/2009 vom 31. Mai 2010 E. 2.4.1)(E. 2.4.3).