Anklagen oder Einstellen?

Das Bundesgericht äussert sich erneut zum Grundsatz “in dubio pro duriore” und weist die Beschwerde gegen einen Einstellungsentscheid ab (BGE 78/2012 vom 03.07.2012; zur Publikation in der AS vorgesehen). Bevor es das überhaupt tun konnte, musste es sich zu den Gerichtsferien äussern. Dabei hält fest, dass beim Fristenstillstand nach Art. 46 BGG zwischen End- und Zwischenentscheiden zu differenzieren sei (E. 1.2). Ein Einstellungsentscheid schliesse das Verfahren im Sinne eines Endentscheids ab, womit keine Ausnahme vom Fristenstillstand greife (E. 1.3). Ob der Entscheid deshalb publiziert werden soll?

Was “in dubio pro duriore” heisst, fasst das Bundesgericht wie folgt zusammengefasst:

Der Grundsatz “in dubio pro duriore” fliesst aus dem Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO; zur amtlichen Publikation bestimmtes Urteil 1B_687/2011 vom 27. März 2012 E. 4.2). Er bedeutet, dass eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden darf. Bei der Beurteilung dieser Frage verfügen die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz über einen gewissen Spielraum, den das Bundesgericht mit Zurückhaltung überprüft. Hingegen ist (sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt) Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch (vorerwähntes Urteil 1B_687/2011 E. 4.1.1; BGE 137 IV 219 E. 7.1-7.2 S. 226 f.). Falls sich die Wahrscheinlichkeiten eines Freispruches oder einer Verurteilung in etwa die Waage halten, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, ebenfalls eine Anklageerhebung auf (Urteil 1B_687/2011 E. 4.1.2) [E. 4.1].