Anklageschriften an die Presse
Das Bundesgericht hat sich in einem heute online gestellten Urteil (BGer 1B_55/2009 vom 19.03.2009) mit verfahrensleitenden Verfügungen des Präsidenten des Strafkammer des Bundesstrafgerichts auseinandersetzen müssen. Dieser hatte einen Antrag der Verteidigung, die Anklageschrift vor der Eröffnung der Hauptverhandlung nicht oder nur in begrenztem Umfang an die Presse auszuhändigen, teilweise gutgeheissen. Den Antrag, die Anklageschrift vor der Herausgabe zu anonymisieren, wies der Präsident ab.
Die Verteidigung sah in der Herausgabe einer nicht anonymisierten Anklageschrift eine unzulässige Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Angeklagten, zumal wenn über die Zulassung der Anklage noch nicht entschieden sei. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Zur Frage der Anonymisierung führt das Bundesgericht folgendes aus:
Die Anonymisierung würde das Verständnis des Anklagesachverhalts erschweren und es den akkreditierten Pressevertretern verunmöglichen, der Hauptverhandlung sachgerecht zu folgen und somit ihr Wächteramt wahrzunehmen. Zu diesem Zweck müssen die Medienvertreter in der Lage sein, die Angeklagten und deren Verteidiger in der Hauptverhandlung zu identifizieren und sie dem Anklagesachverhalt richtig zuzuordnen (E. 2.6).
Diese Frage hätte eine etwas vertieftere Auseinandersetzung verdient. In der nun vorliegenden knappen Form leuchtet sie nicht ohne Weiteres ein. Ich sehe nicht ein, inwiefern das Wächteramt durch Anonymisierung gefährdet sein soll.
In einem Punkt erweist sich die Begründung des Bundesgerichts aus meiner Sicht als unschlüssig. Dass die Medienvertreter in der Lagen sein müssen, “die Angeklagten und deren Verteidiger in der Hauptverhandlung zu identifizieren” dürfte ja unbestritten sein und wurde auch gar nicht geltend gemacht. Fraglich war doch allein, wieso bereits vor der Hauptverhandlung auf die Anonymisierung einer noch nicht zugelassenen Anklageschrift verzichtet werden soll.