Anlasslose Verkehrsüberwachung verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht hebt einen Bussgeldbescheid auf mit der Begründung, für das zur Überführung des Beschuldigten eingesetzte Verkehrskontrollsystem fehle es an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (BVerfG, 2 BvR 941/08 vom 11.8.2009). Aus dem Sachverhalt gemäss Pressemitteilung:
Im Januar 2006 wurde auf der BAB 19 in Fahrtrichtung Rostock von der Ordnungsbehörde eine Geschwindigkeitsmessung durchgeführt. Die Videoaufzeichnung erfolgte mit dem Verkehrskontrollsystem Typ VKS. Dem Beschwerdeführer, der an diesem Tag mit seinem Pkw auf dieser Strecke fuhr, wird vorgeworfen, er habe bei km 98,6 fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit (100 km/h) außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h überschritten. Deshalb wurde gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 50 Euro festgesetzt.
Der Einsatz des Verkehrskontrollsystems Typ VKS stellt gemäss Bundesverfassungsgericht eine Beschränkung des Grundrechts der informationellen Selbstbestimmung dar und muss daher auf einer formellen gesetzlichen Grundlage beruhen.
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann zwar im überwiegenden Allgemeininteresse eingeschränkt werden. Eine solche Einschränkung bedarf aber einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist. Der als Rechtsgrundlage herangezogene Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern, stellt aber keine geeignete Rechtsgrundlage für Eingriffe in dieses Recht dar. Bei dem Erlass handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift und damit um eine verwaltungsinterne Anweisung. Mit Verwaltungsvorschriften wirken vorgesetzte Behörden auf ein einheitliches Verfahren oder eine einheitliche Gesetzesanwendung der untergeordneten Behörden hin. Sie sind kein Gesetz im Sinn des Art. 20 Abs. 3 sowie des Art. 97 Abs. 1 GG und können nur Gegenstand, nicht Maßstab der richterlichen Kontrolle sein.
Den Vorinstanzen, welche den genannten Erlass als hinreichend qualifiziert hatten, wirft das Verfassungsgericht Willkür vor. Aus dem Schneider ist der Beschwerdeführer freilich noch nicht. Der Fall wird an die erste Instanz zu neuer Entscheidung zurückgewiesen:
Nach den allgemeinen strafprozessualen Grundsätzen, die über § 46 Abs. 1 OWiG auch im Bußgeldverfahren sinngemäß anwendbar sind, kann aus einem Beweiserhebungsverbot auch ein Beweisverwertungsverbot folgen. Dieses ist mangels gesetzlicher Regelung anhand einer Betrachtung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Es erscheint zumindest möglich, dass die Fachgerichte einen Rechtsverstoß annehmen, der ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.