Anmassende Anordnung einer Massnahme
Das Bundesgericht äussert sich ein weiteres Mal über die Anforderungen an eine sachverständige Begutachtung im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB und wirft der Vorinstanz eine Kompetenzanmassung vor (BGer 6B_438/2011 vom 18.10.2011). Den Erwägungen ist folgendes zu entnehmen:
1. Ein Privatgutachten reicht nicht:
Der angefochtene Entscheid beruht damit zum Teil auf dem Bericht der Psychologin A., zum Teil auf einer eigenen Beurteilung. In beiden Fällen fehlt es an der von Bundesrechts wegen erforderlichen Entscheidgrundlage. So erfüllt der Bericht A. die Anforderungen an eine sachverständige Begutachtung im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB nicht, weil es sich um ein Privatgutachten handelt (E. 2.4.3).
2. Die eigene Beurteilung des Gerichts vermag ein Gutachten nicht zu ersetzen:
Berichte von Therapeuten stellen keine Gutachten dar und vermögen solche jedenfalls nicht zu ersetzen (Urteil 6B_590/2010 vom 18. Oktober 2010 E. 4.2; HEER, a.a.O., Rz. 49 zu Art. 56 Abs. 3). Kommt dem Bericht A. aber nicht die Qualität einer sachverständigen Begutachtung im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB zu, kann offen bleiben, ob die Berichtsverfasserin als Psychologin überhaupt über die erforderliche Qualifikation und das notwendige Fachwissen zur Beurteilung der zur Diskussion stehenden Fragen verfügte (…). Es fehlt insoweit an den Voraussetzungen von Art. 56 Abs. 3 StGB. Nichts anderes gilt, soweit die Vorinstanz eine eigene Beurteilung vornimmt. Indem sie die sich stellenden Fragen beim Entscheid über die tatsächlichen Voraussetzungen der Massnahmeanordnung und -ausgestaltung einschliesslich der Therapiewilligkeit sowie den Strafaufschub ohne die vom Gesetz vorausgesetzte Expertenhilfe beantwortet, eignet sie sich unzulässigerweise Fachkompetenz an, über die sie nicht verfügt.
War das Bundesgericht immer so streng?
Auf die rhetorische Frage “War das Bundesgericht immer so streng?” würden böse Zungen rhetorisch antworten ” Als ob es je darauf angekommen wäre” 😉