"Annahme verweigert"
In seiner Kolumne im Solothurner Tagblatt übt Markus Schneider teils beissende Kritik an der neuen Solothurnischen Strafverfolgungsbehörde und fordert Massnahmen der politischen Aufsichtsbehörden. Dazu kann ich mir einen Kommentar natürlich nicht verkneifen:
Nach Jahrzehnten hat die politische Aufsicht endlich eingegriffen und die Strafverfolgung in kürzester Zeit grundlegend und zukunftsweisend reformiert. Dass vier Monate nach einer solchen Reform noch manches nicht so laufen mag wie es sollte, erscheint als verständlich. Bedenklich ist aber, dass die neue Superbehörde auch nach vier Monaten noch immer schlicht nicht existent zu sein scheint und ihre Aufgaben immer mehr der Polizei überlässt. Damit macht sie exakt das Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber mit der Reform angestrebt hat. Gefragt ist jetzt aber nicht die politische Aufsicht, sondern die Führung der Staatsanwaltschaft selbst und die Gerichte, welche die fachliche Aufsicht ausüben (sollten) und dabei an akuter Beisshemmung zu leiden scheinen. Wenn die Gerichte den Kollegen von der Staatsanwaltschaft nicht alles durchehen liesse, würden sie sehr rasch besser, was im Interesse aller – ja, auch im Interesse der Beschuldigten – läge.
Konrad Jeker lehnt eine Intervention der politischen Aufsichtsbehörden ab. Er ist der Meinung, nun sei die fachliche Aufsicht gefragt. Wer sich auch immer den Problemen rund um die Staatsanwaltschaft widmet, er sollte dies einzig und allein mit dem Ziel tun, einen Beitrag zu einer besser funktionierenden Strafverfolgung im Kanton Solothurn zu leisten. Und damit meine Haltung recht verstanden wird: Meine Kritik richtet sich nicht gegen die Reform der Strafverfolgung an sich, schliesslich habe ich ihr seinerzeit auch zugestimmt. Sie richtet sich einzig und allein gegen die aktuelle Umsetzung.
Als Mitglied des Kantonsrats habe ich einen grundsätzlichen Respekt vor der dritten Gewalt. In erster Linie haben wir als Parlament gegenüber der Justiz eine Gewährleistungsfunktion: Wir haben die nötigen Ressourcen (Personal, Finanzen, Informatik, Räumlichkeiten etc.) und Instrumente (Recht)zur Verfügung zu stellen, um ihr einwandfreies Arbeiten zu ermöglichen. Genau das haben wir in den vergangegen Jahren in Bezug auf die Strafverfolgungsbehörden getan:
– wir haben – wie Konrad Jeker auch festhält – in kurzer Zeit die rechtlichen Grundlagen für eine reformierte Strafverfolgung geschaffen.
– wir haben – trotz finanziell angespannter Situation und trotz Widerständen im Kantonsrat – dem zusätzlichen Ressourcenbedarf in der Höhen von jährlich Fr. 800’000.-zugestimmt.
– wir haben frühzeitig Sicherheit in Bezug auf die personelle Situation geschaffen: Der Oberstaatsanwalt und seine Stellvertreterin wurden 9 Monate vor Inkrafttreten der Reform und Amtsantritt gewählt, die 13 StaatsanwältInnen immerhin 6 Monate vor Amtsantritt. Zudem wurde meines Wissens dem Oberstaatsanwalt Freiraum eingeräumt, um die Arbeit der neuen Strafverfolgungsbehörde konzeptionell vorzubereiten.
– mit dem Einsatz von zusätzlichen ausserordentlichen UntersuchungsrichterInnen vor Inkrafttreten der Reform wurde zudem gewährleistet, dass die neue Strafverfolgungsbehörde ihre Arbeit ohne Altlasten und mit leerem Schreibtisch beginnen können.
Fazit: Der Kantonsrat hat seine Gewährleistungsfunktion in Bezug auf die Staatsanwaltschaft erfüllt. Es ist klar, dass damit auch die berechtigte Erwartung verbunden ist, dass die neue Behörde ihre Arbeit von Beginn weg auch tadellos erfüllt. Dies umso mehr, als bei parlamentarischer Kritik an den Untersuchungsrichterämtern immer wieder auf die Reform der Strafverfolgung hingewiesen wurde. Mit dem Staatsanwaltschafts-Modell werde die Strafverfolgung effizenter und rascher (vgl. z.B. die Behandlung der Interpellation der Fraktion FdP/JL der Bezirke Olten/Gösgen zu Verzögerungen bei der Untersuchung von Straftaten vom März 2003).
Nun gibt es genügend Hinweise, dass die neue Behörde nicht so funktioniert, wie dies versprochen und erwartet wurde. Man macht es sich auch zu einfach, wenn man die Probleme einfach als administrative Anlaufschwierigkeiten abtut, wie dies die stellvertretende Oberstaatsanwältin in einem Statement im Regi DRS getan hat. Dies aus mehreren Gründen:
1. Bei der Strafverfolgung handelt es sich nun mal wirklich um eine Kernaufgabe des Staates. Diese hat jederzeit, dauerhaft und unterbruchslos zu funktionieren.
2. Die politischen Behörden haben alles vorgekehrt, um einen Kaltstart zu vermeiden (vgl. dazu meine Bemerkungen oben). Die Voraussetzungen für eine einwandfreie Arbeit ab Beginn waren wohl noch bei keiner neu gebildeten staatlichen Stelle so günstig wie bei der Staatsanwaltschaft.
3. Wichtige Indikatoren weisen darauf hin, dass die neue Behörde mit mehr als nur ‚administrativen Anfangsschwierigkeiten‘ zu kämpfen hat. Es sei denn, man erkläre den signifikanten Rückgang der Verhaftung allein mit der generalpräventiven Wirkung des neuen Modells, was zumindest eine neue originelle Verkaufsidee für dieses neue Modell wäre…
Aus all diesen Gründen haben die politischen Aufsichtsbehörden durchaus das Recht, zumindest ein paar kritische Fragen zu stellen.