Anpassung des Anwaltsgeheimnisses
Der Bundesrat legt Entwurf und Botschaft für ein Bundesgesetz über die Anpassung von verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis vor (vgl. dazu auch die Medienmitteilung vom 26.10.2011).
Der Botschaft lässt sich entnehmen, dass das Schweizerische Bundesgericht Vorbehalte gegen den neuen “Mantelerlass” geltend gemacht und dabei darauf verwiesen hat, dass im Strafverfahren berechtigte staatliche Interessen an der Wahrheitsfindung zu beachten seien. Der Bundesrat widerspricht:
Das Bundesgericht hat sich dagegen ausgesprochen, dass das Anwaltsgeheimnis in der Fassung der ZPO ohne vorherige vertiefte Analyse auf das Strafverfahren übertragen wird, wo berechtigte staatliche Interessen an der Wahrheitsfindung zu beachten sind. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass es dem Gesetzgeber ein Anliegen war, den Schutz des Anwaltsgeheimnisses in der StPO zu verstärken. Er hat deshalb Artikel 171 um einen Absatz 4 ergänzt, nach welchem die Anwältin oder 8 der Anwalt selbst dann nicht als Zeugin oder Zeuge aussagen muss, wenn sie oder er von der Klientschaft von der Geheimnispflicht entbunden worden ist. Zum andern wollte der Gesetzgeber in der StPO und der ZPO analoge Regeln verankern. Die engere Fassung von Artikel 264 Absatz 1 StPO gegenüber Artikel 160 Absatz 1 Buchstabe b ZPO stellt eine gesetzgeberische Inkongruenz dar und war nicht aus sachlichen Gründen beabsichtigt. Es ist nicht ersichtlich, wieso die anwaltliche Korrespondenz unverdächtiger Dritter oder Dritter, die potentiell Beschuldigte werden könnten, weniger Schutz verdient als Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit ihrer Verteidigung (Botschaft, Ziff. 3.7).
Vorgeschlagen ist folgender neuer Wortlaut von Art. 264 StPO:
Art. 264 Abs. 1 Bst. a, c und d (neu)
1 Nicht beschlagnahmt werden dürfen, ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunkts, in welchem sie geschaffen worden sind:
a. betrifft nur den französischen Text
c. Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Personen, die nach den Artikeln 170–173 das Zeugnis verweigern können und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind;
d. Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer anderen Person mit ihrer Anwältin oder ihrem Anwalt, sofern die Anwältin oder der Anwalt nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000 zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt ist und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist.
Immerhin wäre zu bedenken, dass das schweizerische Anwaltsgeheimnis international einen zunehmends schlechten Ruf geniesst. Die wird nicht ohne Auswirkungen z.B. auf den Schiedsgerichtsstandort CH bleiben. Oder letztlich gar auf geschäftliche Aktivitäten in der Schweiz. Generell gilt, dass die Garantie des Anwaltsgeheimnisses als Gradmesser für die Rechtsstaatlichkeit eines Landes herangezogen wird. Wo stehen wir hier wirklich?
who cares? Die Angst vor Missbräuchen des Berufsgeheimnisses ist viel zu gross, um auf Wettbewerbsfähigkeit oder gar auf Rechtsstaatlichkeit achten zu können.