Anspruch auf Parteientschädigung auch in scheinbaren Bagatellfällen

In einem heute online gestellten Entscheid hat sich das Bundesgericht wieder einmal mit der Entschädigung der Verteidigungskosten bei Freispruch oder Einstellung befassen müssen (1P.805/2006 bom 14.09.2007) und dabei ein Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern kassiert. 

Einem Beschuldigten, der wegen einer leichten SVG-Widerhandlung zu einer Busse von CHF 150.00 verurteilt worden war, hatte die Luzerner Justiz die Anwaltskosten nicht entschädigen wollen. Aus dem Urteil zitiere ich zunächst den Grundsatz:

Nach der Praxis des Bundesgerichtes ist es mit dem verfassungsmässigen Grundsatz der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV) nicht vereinbar, einem nicht verurteilten Angeschuldigten Verfahrenskosten aufzuerlegen oder ihm eine Parteientschädigung zu verweigern, gestützt auf den – direkten oder indirekten – Vorwurf, er habe sich strafbar gemacht bzw. es treffe ihn ein strafrechtliches Verschulden (E. 4.2).

Eine Ausnahme zu dieser Regel bilden Bagatellfälle:

Liegt ein Bagatellstraffall vor, der von den polizeilichen Behörden ohne Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Natur untersucht und in der Folge eingestellt werden kann, gebieten Verfassung und EMRK nicht, dass die Öffentlichkeit die Kosten anwaltlicher Bemühungen trägt (E. 4.2.3).

Ob ein solcher Bagatellfall vorliegt, beurteilt sich namentlich nach

der Schwere des Tatvorwurfes, dem Grad der Komplexität des Sachverhaltes, dem prozessualen Verhalten der Untersuchungsbehörde und der Parteien, den persönlichen Verhältnissen des Angeschuldigten und dem Verfahrensausgang […]. Damit ein Entschädigungsanspruch gegenüber dem Staat besteht, muss die Einschaltung eines Anwaltes in diesem Sinne sachlich geboten gewesen sein (E. 4.2.3).

Für den vorliegenden Fall hat das Bundesgericht den Bagatellfall wie folgt verneint:

Die genannten Beweiserhebungen im ordentlichen Untersuchungsverfahren (Ergänzungen des Polizeirapportes inkl. Skizzen und Photodokumentation sowie untersuchungsrichterliche Befragungen einer Zeugin, einer unfallbeteiligten Auskunftsperson sowie des Angeschuldigten) führten einige Monate nach Erlass der Strafverfügung zur Einstellung des Strafverfahrens. Insofern findet die Ansicht des Obergerichtes, der Sachverhalt sei “von Anfang an einfach überblickbar” gewesen, in den Akten keine Stütze (E. 5.6).