Anspruch auf Übersetzung des Strafbefehls?

Was in den Akten steht gilt. Das scheint das Motto des Bundesgerichts zu sein, das einem Beschwerdeführer unterstellt, er verstehe die Verfahrenssprache und habe deshalb keinen Anspruch auf Übersetzung eines Strafbefehls (BGer 6B_860/2020 vom 18.11.2020). Und weil sich die Sprachfähigkeiten im Laufe eines Verfahrens verändern können, klärt das Bundesgericht zuerst den massgeblichen Zeitpunkt:

Entscheidend für den Übersetzungsbedarf einer Person sind ihre Sprachfähigkeiten im Zeitpunkt der jeweiligen Verfahrenshandlung (E. 1.4.1).  

Im vorliegenden Fall verfügte der Betroffene im Zeitpunkt der Eröffnung des Strafbefehl über die notwendigen Sprachfähigkeiten:

Zwar ist dem Beschwerdeführer darin recht zu geben, dass das Protokoll der Einvernahme vom 1. Mai 2019 nicht eindeutig den Schluss darauf zulässt, ob das Protokoll selbst gelesen oder vorgelesen wurde, da sowohl bei “Selbst gelesen und bestätigt” als auch bei “Vorgelesen und erklärt erhalten” Kreuze gesetzt wurden. Dies allein hat aber angesichts der restlichen Beweislage nicht die Notwendigkeit weiterer Beweisabnahmen oder eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung zur Folge. Die Vorinstanz führt zu Recht aus, dass der Beschwerdeführer an der Befragung vom 1. Mai 2019 geistig präsent gewesen ist und dass er klare, konkrete und teilweise detaillierte Antworten gegeben hat. Der Beschwerdeführer war in der Lage, 40 ihm auf Deutsch gestellte Fragen auf Deutsch stringent zu beantworten. Daraus, dass gewisse protokollierte Antworten angeblich offensichtlich inhaltlich falsch seien, vermag der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten abzuleiten, zumal die gegebenen Antworten auf die Fragen passen. Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie schliesst, dass der Beschwerdeführer die Fragen in der Einvernahme auf Deutsch verstanden hat. Der Beschwerdeführer selbst gab an, dass es ihm 100% gut gehe und dass er keine Übersetzung benötige. Die Behörde durfte nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auf diese Angaben des Beschwerdeführers vertrauen, zumal die objektiven Sprachfähigkeiten des Beschwerdeführers die Durchführung der Einvernahme ohne Übersetzung zuliessen. Unter diesen Umständen kann von einem Beschuldigten bei Aushändigung eines Strafbefehls verlangt werden, dass er eine Übersetzung verlangt, oder zumindest einwendet, dass er den Inhalt nicht versteht. Im Zeitpunkt der Aushändigung des Strafbefehls gab es für die aushändigende Behörde keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer nicht genügend Deutsch verstand. Es bestand für diese damit kein Anlass, den Strafbefehl zu übersetzen.  Hinzu kommt die Tatsache, dass der Beschwerdeführer angab, bereits anwaltlich vertreten zu sein. Auch hier sind die Ausführungen der Vorinstanz überzeugend, wonach allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer von seinem “Anwalt in Genf” sprach und ausführte, dieser heisse “Sarananat Arquint”, obwohl dieser in Wahrheit Sararard Arquint heisst und seine Kanzlei in Zürich hat, nicht geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Aushändigung des Strafbefehls nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Anwalt über den Erhalt des Strafbefehls zu informieren (E. 1.4.2). 

Es mag ja sein, dass man das unter Willkürgesichtspunkten so sehen kann wie das Bundesgericht. Wer aber jemals bei einer polizeilichen Befragung anwesend war, wir sich bei der Lektüre der zitierten Erwägung die Haare raufen. Nicht ohne Grund fordern Strafverteidiger Bild- und Tonaufnahmen aller Einvernahmen.