Ansprüche aus Überhaft

Wie Überhaft zu entschädigen ist, erklärt das Bundesgericht in einem heute publizierten Urteil (BGer 6B_196/2018 vom 19.09.2018). Zu unterscheiden sind die Anspruchsgrundlagen von Art. 431 Abs. 1 bzw. Art. 431 Abs. 2 StPO.

Letztere kommt zur Anwendung, wenn nicht die Haft per se, sondern die Haftdauer ungerechtfertigt ist.

3.1. Sind gegenüber der beschuldigten Person rechtswidrige Zwangsmassnahmen angewandt worden, so spricht ihr die Strafbehörde eine angemessene Entschädigung und Genugtuung zu (Art. 431 Abs. 1 StPO); im Fall von Untersuchungs- und Sicherheitshaft besteht der Anspruch, wenn die zulässige Haftdauer überschritten ist und der übermässige Freiheitsentzug nicht an die wegen anderer Straftaten ausgesprochenen Sanktionen angerechnet werden kann (Art. 431 Abs. 2 StPO); der Anspruch nach Absatz 2 entfällt unter anderem, wenn die beschuldigte Person zu einer Geldstrafe, zu gemeinnütziger Arbeit oder zu einer Busse verurteilt wird, die umgewandelt eine Freiheitsstrafe ergäbe, die nicht wesentlich kürzer wäre aus die ausgestandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft (Art. 431 Abs. 3 lit. a StPO).
Art. 431 Abs. 1 StPO gewährleistet den Anspruch bei rechtswidrigen Zwangsmassnahmen. Art. 431 Abs. 2 StPO betrifft die Überhaft, bei welcher nicht die Haft per se, sondern die Haftlänge ungerechtfertigt ist (BGE 141 IV 236 E. 3.2). Der Anspruch entfällt ausschliesslich nach den Voraussetzungen von Art. 431 Abs. 3 StPO. Für die Überhaftentschädigung ist hingegen ohne Belang, ob die beschuldigte Person in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen eine Verhaltensnorm verstiess, die Einleitung des Verfahrens schuldhaft veranlasste oder (teilweise) verurteilt wurde (Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO). Soweit der Freiheitsentzug die tatsächlich ausgefällte Sanktion übersteigt, hat das Gericht neben der Anrechnung die Überhaft abzugelten (Urteile 6B_1468/2017 vom 11. Mai 2018 E. 1.3.2; 6B_1076/2016 vom 12. Januar 2017 E. 3.2; 6B_747/2016 vom 27. Oktober 2016 E. 3.2; 6B_182/2015 vom 29. Oktober 2015 E. 1.3.2 und 1.3.4 f.).