Anwaltshonorar aus beschlagnahmten Vermögenswerten
Das Bundesgericht anerkennt, dass die Erfüllung des Anspruchs auf wirksamen Rechtsschutz und private Rechtsvertretung eigener Wahl davon abhängig sein kann, die entsprechenden Honorare auch leisten (und vorschiessen) zu können.
Im Falle beschlagnahmter Vermögenswerte einer Stiftung muss daher ein Kostenvorschuss aus den sichergestellten Vermögenswerten geleistet werden (BGer 1B_410/2015 vom 14.07.2016):
Nach den vorliegenden Akten wurden sämtliche Vermögenswerte der Beschwerdeführerin beschlagnahmt. Aus dem Verhältnismässigkeitsgebot und dem bundesrechtlichen Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz und private Rechtsvertretung (eigener Wahl) ergibt sich im vorliegenden Fall, dass die Kontensperre insoweit teilweise aufzuheben ist, dass die von den Beschlagnahmen direkt betroffene Beschwerdeführerin den Rechtsweg wirksam beschreiten und (vorläufig) eine private Rechtsvertretung aus ihren Mitteln mandatieren kann. Die private Rechtsvertretung ist jedenfalls so lange zu gewährleisten, als sie nicht durch eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung (im separaten Verfahren SW.2015.71) abgelöst wird (E. 4.6).
Die Vorinstanz hatte u.a. ausgeführt, die Vermögenswerte handle es sich um Deliktserlös, was das Bundesgericht jedoch überzeugend zurückweist:
Die Vorinstanz verkennt, dass es sich bei rechtmässig erworbenen Erbschaften nicht um “Deliktserlös” (im Sinne von Art. 70 StGB) handelt. Der Vergleich mit Diebesgut ist insofern unzulässig. Selbst wenn der Beschuldigte sein aus Erbschaften erworbenes Vermögen in strafbarer Weise vor seinen Gläubigern verheimlicht hätte, wie die kantonalen Instanzen verdachtsweise vorbringen, würde es sich dabei um rechtmässig erworbenes Vermögen handeln. Damit nicht zu verwechseln ist die (hier nicht zu prüfende) Frage, inwieweit die von Betreibungs- und Konkursdelikten mutmasslich Geschädigten auf rechtmässig erworbenes Vermögen des Beschuldigten oder von Dritten zwangsvollstreckungsrechtlich (oder gestützt auf Art. 71 bzw. Art. 73 StGB) Zugriff nehmen könnten. Die Zulässigkeit der erfolgten Deckungs- bzw. Restitutions- und Einziehungsbeschlagnahmen ist (laut Vorinstanz) im hängigen Verfahren SW.2015.71 zu prüfen. Dass auf dem gesperrten Konto der Beschwerdeführerin Deliktserlös liegen würde und das betreffende Vermögen zum Vornherein nicht für die Honorierung eines Rechtsvertreters verwendet werden dürfte, wird von den kantonalen Instanzen nicht nachvollziehbar dargetan (E. 4.3).
Ist die dem Beschuldigten C. vorgeworfene Tathandlung das “unentgeltliche Abtreten rechtmässig erworbener Erbschaften an die Stiftung”, kann das eine “unentgeltiche Veräusserung von Vermögenswerten” i.S.v. Art. 164 StGB darstellen und dann wäre doch die von der Stiftung entgegengenommene Erbschaft die quaesita sceleris aus der von C. mutmasslich begangenen Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung, welche bei der Stiftung gestützt auf Art. 70 Abs. 2 StGB einzuziehen ist. Ich kann den Entscheid nicht nachvollziehen.
Lieber P.Heinold
Der Beschuldigte hat Erbschaften erworben; dies ist sicherlich nicht ein deliktischer Vermögenserwerb. Dass er dieses rechtmässig erworbene Vermögen anschliessend in die Stiftung , macht den einstmaligen Ewerb des Beschuldigten nicht zum Delik respektive zu Deliktsgut.
Zivilrechtlich ist das Substrat gar nicht mehr im Vermögen des Beschuldigten, so dass die Beschlagnahme auch nicht im Vermögen des Beschuldigten stattfindet.
Ob das Verfügungsgeschäft des Beschuldigten an die Stiftung als Delikt zu behandeln ist, ist eine Rechtsfrage, die das BGer nicht zu beurteilen hatte; diese Frage ist Gegenstand der Strafuntersuchung, so dass vorläufig die Unschuldsvermtung greifen muss. Aber selbst wenn betreibungsrechtlich Delikte vorliegen sollten, hat dies zunächst (nur) die Bestrafung der Beschuldigten zur Folge; da gegen die Stiftung offenbar kein Strafverfahren hängig ist, kann m.E. bei Stiftung gestützt auf Art.70 StGB auch keinerlei Einziehung stattfinden. Der Gläubigerschutz hätte mittels paulianischer Anfechtung und superprov. Massnahmen erstritten werden müssen.
Gruss:
DMT
Danke für die interessanten Diskussionsbeiträge. DMT erklärt fast noch besser als das Bundesgericht selbst, dass dessen Entscheid richtig ist..
Lieber DMT und kj
Dass es um Vermögen eines nichtbeschuldigten Dritten geht, ist klar, aber m.E. wird nicht erhellt, weshalb das Vermögen nicht der Einziehung (evtl. beim Dritterwerber) unterliegt, falls der Beschuldigte C Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung beging, indem er dieses Vermögen (welches er legal erlangt hatte) unentgeltlich auf die Stiftung übertrug. Würde das Vermögen im Falle einer Verurteilung von C der Einziehung unterliegen, würde ein Tatverdacht ausreichen, um die Beschlagnahme beim Dritten zu begründen.
P. Heinold
Vorneweg: Ich schreibe Täter, da es vorliegend nicht um das Vorliegen eines Tatverdachts geht. Mein Kommentar ist allgemeiner Natur.
Das Bundesgericht “argumentiert” viel zu kurzsichtig, im Sinne von “wenn der Täter einen Vermögenswert legal erworben hat, kann er diesen selbst nicht inkriminieren”. Das ist keine Argumentation, das ist einfach eine unbegründete Behauptung. WIESO DENN NICHT? Anders gesagt: Wieso sollte eine Einziehung von durch deliktische Handlung (hier: unentgeltliche Vermögensveräusserung zum Schaden der Gläubiger) erlangte (hier: der Stiftung zugefügt) Vermögenswerte nicht möglich sein? Genau dazu ist die Einziehung doch da (70 I: “durch eine Straftat erlangt worden sind”)? Natürlich grundsätzlich auch bei nicht beschuldigten Dritten, da reicht ein Blick ins Gesetz!
Der Aussage des Bundesgerichts folgend, dürfte es also z.B. auch kein Einziehungssubstrat (Deliktserlös) geben, wenn vom Täter legal erworbene Vermögenswerte (im zivilrechtlichen Eigentum des Täters) zu Gunsten eines Dritten veruntreut würden. Zur besseren Vorstellung: Mir werden 1 Mio. (legal erlangtes Geld) zweckgebunden anvertraut (und dazu legal auf mein Konto überwiesen). Diese Million spende ich wider der Zweckbindung an die Pro Juventute. Wieso sollte diese 1 Mio. nun nicht bei der Pro Juventute eingezogen werden dürfen? Kein Argument ist, weil ich diese Million mal legal erworben hatte. So ziemlich jeder Vermögenswerte wurde mal legal erworben…
Und das war noch ein einfaches Beispiel (einer Fremdbereicherung), Art. 164 ist noch komplexer, weil keine(unrechtmässige) Bereicherung (weder von sich noch von einem Dritten) erforderlich ist. Zudem kann ich den Tatbestand auch erfüllen, indem ich etwa auf Rechte verzichte, was dann nochmals eine ganz andere Komplexität aufweist.
Dieser Thematik, und da bin ich voll bei P. Heinold, nimmt sich das Bundesgericht noch nicht mal im Ansatz an. DMT leider auch nicht, kj sowieso nicht.
Zudem ist das Ergebnis doch geradezu pervers. DMT schreibt ja selbst: Zivilrechtlich ist das Substrat gar nicht mehr im Vermögen des Beschuldigten…
Auf gut Deutsch: Der Täter lässt einem Dritten durch eine deliktische Handlung Vermögen zugehen (um es vor seinen Gläubigern zu verheimlichen), darf nun aber gerade – vom Bundesgericht abgesegnet – für eigene Verbindlichkeiten (wie das Anwaltshonorar) wieder privilegiert darauf zurückgreifen? Was war nochmals der Tatbestand und was sollte dieser bezwecken? 😉
Gruss aus Bern
Es kommt doch darauf an, was dem Beschuldigten überhaupt vorgeworfen wird, um die Frage nach dem mutmasslichen Deliktserös schlüssig beantworten zu können. Das geht aus dem Entscheid nicht so klar hervor (und muss es für das Ergebnis auch nicht). Noch offen ist im Übrigen, ob die Beschlagnahme zulässig und verhältnismässig war (s. E. 4.6). Im Ergebnis hat das Bundesgericht ja nur entschieden, dass einer Person, deren sämtliche Vermögenswerte beschlagnahmt wurden, zu ermöglichen ist, einen frei gewählten Anwalt zu engagieren und aus den (ev. zu Unrecht) beschlagnahmten Vermögenswerten. Nach dem was wir wissen sind die Feststellungen des Bundesgerichts zum Deliktserlös aber doch wirklich schlüssig.
Ich stimme zu, dass aus dem Entscheid nicht so klar hervorgeht, was dem Beschuldigten vorgeworfen wird. Aber dann können die Feststellungen des Bundesgerichts unmöglich schlüssig sein. Ich hoffe, wir sind uns einig, dass ein Anwalt nicht mit aus Delikt stammenden Vermögenswerten finanziert werden darf (auch wenn diese sich bei einem Dritten befinden).
Gruss aus Liestal
Stimme Heinold zu: Es kommt ganz auf die der Beschlagnahme zugrundeliegende Straftat an. Ist es 164, dann hat (ev.) die Stiftung die Erbschaft durch eine Straftat erlangt. Fraglich ist, ob sie sih auf 70 II berufen kann, was mangels Gegenleistung irrelevant sein dürfte. Ist es 163, kommt es auf die Variante drauf an: Beiseiteschaffen durch Verschenken an Stiftung? Dann deliktisch erlangt. Wenn nur Verheimlicht, dann ev. gar keine Straftat, weil der Beschuldigte das Vermögen der Stiftung ev. gar nicht dem PFändungsbeamten angeben muss.
Und natürlich geht es überhaupt nicht an, deliktisch erlangtes Vermögen für Anwaltskosten zu benutzen.
Kollegiale Grüsse