Auch ungefährliche Täter dürfen weggesperrt werden
Trotz Bedenken an der Rechtmässigkeit einer stationären Massnahme weist das Bundesgericht eine dagegen geführte Beschwerde gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau ab (BGer 6B_409/2017 vom 17.05.2017),
Hier die Bedenken:
Ein erstes Bedenken folgt aus der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer zuzugestehen ist, dass sein bisheriges strafrechtlich relevantes Verhalten nicht als schwere Delinquenz qualifiziert werden kann (…). Vorausgesetzt wird indes nicht eine “Gefährlichkeit” des Täters (…), sondern dass “zu erwarten ist”, mit der stationären Behandlung lasse sich der “Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen” (Art. 59 Abs. 1 lit. b StGB) [E. 1.4.2].
…
Der schuldangemessene Freiheitsentzug, d.h. die bezirksgerichtlich festgesetzte Freiheitsstrafe (oben Bst. A), ist bereits verbüsst. Die vorinstanzliche Erwägung, die anzuordnende stationäre Massnahme erscheine angesichts der Fünfjahresfrist von Art. 59 Abs. 4 StGB im Vergleich zur Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 8 Monaten “auch nicht übermässig lang” (Urteil S. 19), verkennt diese Rechtslage. Dem Verhältnismässigkeitsprinzip kommt auch eine dem Schuldprinzip ähnliche Begrenzungsfunktion zu (oben E. 1.2.2) [E. 1.4.3].
Aber eben (Hervorhebungen durch mich):
1.4.4. Mithin sprechen die beiden erwähnten Bedenken einerseits gegen die Anordnung der Massnahme. Andererseits ist von einer sehr schlechten Rückfallprognose auszugehen, dass nämlich der Beschwerdeführer ohne Behandlung in sein bisheriges delinquentes Verhalten zurückfallen wird.
Art. 59 Abs. 4 StGB trägt zum einen dem Verhältnismässigkeitsprinzip Rechnung (BGE 142 IV 105 E. 5.4 S. 111 f.), und zum andern folgt aus dem Zweck dieser Massnahme, nämlich der Verhinderung von weiteren Straftaten zum Schutz der Allgemeinheit, dass sie im Gegensatz zu einer Strafe unabhängig vom Verschulden des Betroffenen angeordnet wird und zeitlich nicht absolut limitiert ist. Ihre Dauer hängt letztlich von den Auswirkungen der Massnahme auf die Gefahr weiterer Straftaten ab, wobei die Freiheit dem Betroffenen nur so lange entzogen werden darf, als die von ihm ausgehende Gefahr dies zu rechtfertigen vermag (BGE 142 IV 105 E. 5.4 S. 112).1.5. Der zuletzt erwähnte Gesichtspunkt erlaubt es angesichts der gutachterlichen Befundtatsachen, die vorinstanzliche Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme gemäss Art. 59 Abs. 1 StGB aufrecht zu erhalten. Die Vorinstanz ist auf die erhöhten Anforderungen der Umwandlung einer Massnahme nach vollständiger Strafverbüssung hinzuweisen (Urteil 6B_100/2017 vom 9. März 2017 E. 5.4 mit Hinweisen). Die kantonalen Behörden werden der limitierenden Funktion des Verhältnismässigkeitsprinzips Rechnung zu tragen haben. Dabei verkennt das Bundesgericht nicht, dass eine Therapie nur lege artis und nicht mit Erfolgsgarantie durchgeführt werden kann.
Vielleicht verkennt das Bundesgericht aber, dass die kantonalen Behörden wissen, wie die limitierende Funktion des Verhältnismässigkeitsprinzips anwenden sind, Ich wüsste das nach diesem Entscheid jedenfalls nicht mehr.