Auf der Flucht angeschossen

Im Kanton Aargau wurde ein Polizeibeamter, der auf einen Flüchtenden (X.) geschossen und ihn schwer verletzt hatte, durch alle Instanzen freigesprochen. X. akzeptierte den Freispruch nicht und zog den Fall ans Bundesgericht, das den Freispruch kassiert  (BGer 6B_569/2012 vom 02.05.2013, Fünferbesetzung):

Fraglich ist, ob sein Verhalten im Sinne von Art. 14 StGB gerechtfertigt war. Entscheidend hiefür ist zunächst, ob im Zeitpunkt der Schussabgabe vom Beschwerdeführer eine gegenwärtige erhebliche bzw. eine nur zum Zeitpunkt der Schussabgabe sicher abwendbare Gefahr vorlag. Dies wird von den kantonalen Instanzen zu Unrecht bejaht. Nach den tatsächlichen Feststellungen ist aufgrund der konkreten Umstände nicht ersichtlich, dass bei dem vor den Polizisten davonlaufenden Beschwerdeführer die Wahrscheinlichkeit der Bedrohung von Drittpersonen bestand. Das ergibt sich schon daraus, dass nach den tatsächlichen Feststellungen weder auf der C. -strasse noch in den in einem Abstand von 30-50 Meter an die Strasse angrenzenden Vorgärten Personen in Sicht waren (angefochtenes Urteil S. 19) und dass das Dorfzentrum und die Schule etwa 800 Meter entfernt waren (angefochtenes Urteil S. 9). Daran ändert nichts, dass nach Auffassung der Vorinstanz eine verständige Person davon habe ausgehen müssen, dass jederzeit jemand aus einem Wohnhaus heraus in den Vorgarten oder auf die Strasse hätte treten können. Diese blosse entfernte Möglichkeit begründet keine hinreichend konkrete Gefahr eines schädigenden Ereignisses. Ausserdem bildete den Ausgangspunkt der Situation die Beziehungsproblematik des Beschwerdeführers und seiner Freundin. Selbst wenn die Polizeibeamten von einer Bedrohung der Freundin und ihrer Angehörigen ausgehen durften, lässt sich nicht ohne weiters annehmen, es habe für nicht in den Beziehungskonflikt involvierte Drittpersonen, auf welche der Beschwerdeführer allfällig hätte treffen können, eine unmittelbar drohende Gefahr bestanden (angefochtenes Urteil S. 21 f.). Ausserdem führt die Vorinstanz nicht aus, worin diese Gefahr hätte bestehen sollen. Die Annahme, der Beschwerdeführer hätte Drittpersonen als Geiseln in seine Gewalt bringen können (vgl. erstinstanzliches Urteil S. 29; Vernehmlassung des Beschwerdegegners 2 S. 9), liegt bei der gegebenen Ausgangssituation jedenfalls fern. Insofern ist auch unerfindlich, wie bei den anwesenden Polizeibeamten der Eindruck einer “geplanten und vorbereiteten Tat” entstanden sein soll (angefochtenes Urteil S. 12) [E. 3].

Keinen Erfolg hatte X. mit seinen Zivilforderungen, da der Beamte persönlich ja nicht haftet. Dies hatten gleich beide Vorinstanzen übersehen:

Für Zivilansprüche gegen den Beschwerdegegner 2 bleibt daher im vorliegenden Fall kein Raum. Daran ändert nichts, dass die kantonalen Instanzen auf die Zivilforderungen eintraten und sie abwiesen bzw. auf den Zivilweg verwiesen (E. 4.2).