Aufruf zu Hass, Art. 261bis StGB
“Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft, […], wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft” (Art. 261bis StGB).
In einem neuen Leitentscheid bestätigt das Bundesgericht einen Schuldspruch aus dem Kanton VD in der Variante der sexuellen Orientierung (BGE 6B_1323/2023 vom 11.03.2024, Publikation in der AS vorgesehen, Medienmitteilung). Der Beschwerdeführer hatte sich in einem im Internet veröffentlichten Film-Interview über eine Journalistin und die homosexuelle und lesbische Gemeinschaft geäussert.
Aus der Pressemitteilung:
Zunächst steht fest, dass sich der Beschwerdeführer mit seiner Wortwahl auf die sexuelle Orientierung der Journalistin bezogen hat und nicht allgemein auf ihre Genderidentität. Entgegen seiner Behauptung ging es bei seinen Aussagen sodann ganz offensichtlich nicht nur um eine wertneutrale Verwendung bestimmter Begriffe wie “queer” oder “lesbisch”. Mit der verwendeten Sprache wie dem herabsetzenden Ausdruck “désaxé”, dem entmenschlichenden “voilà face à quoi on est” und dem unverschämten “fette Lesbe” lud er die Internetnutzer dazu ein, die Journalistin insbesondere wegen ihrer sexuellen Orientierung zu verachten. Die so bewirkte Feindseligkeit und Homophobie wird verstärkt durch die Präsentation der Journalistin sowie der lesbischen und homosexuellen Gemeinschaft insgesamt als Feinde der von ihm vertretenen Werte (“Kämpfer für Frieden, Brüderlichkeit und die Schweizer Seele”). Insgesamt kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die Botschaft des Beschwerdeführers darauf ausgerichtet war, Hassgefühle aufgrund der sexuellen Orientierung zu wecken und zu schüren. Zur Interpretation seiner Botschaft durfte das Kantonsgericht auch die Reaktionen im Internet berücksichtigen, um so die Wirkung seiner Worte auf eine durchschnittliche Drittperson zu erfassen. Nicht zu beanstanden ist weiter die Feststellung des Kantonsgerichts, dass er mit Vorsatz gehandelt hat.
Um das selbst beurteilen zu können, müsste ich das Video sehen. Mit dem, was ich dem Urteil entnehmen kann hätte ich jetzt eher auf Diskriminierung denn auf Hass getippt. Am Ergebnis würde das aber ebenso wenig ändern wie die verfassungsrechtlich garantierte Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 16 BV, Art. 10 EMRK).
Bei der Lektüre des Tatbestands ist mir aber wieder einmal aufgefallen, wie wenig es nach geltendem Recht braucht, um sich strafbar zu machen. Beispielsweise die Pro Hamas-Demonstranten mit ihren Parolen, die ich hier nicht zitieren will, leben gefährlich. Aber ihnen wird man vielleicht den politischen Kontext zubilligen, den man dem Beschwerdeführer in diesem Fall nicht abnimmt.
Es wäre schön und einfach, wenn man doch Rechte, Pflichten etc. in ein mathematisch kausales deterministisches Modell übersetzen könnte, so könnte man sehr exakt feststellen, wo die einzelnen Rechte (z.B. Meinungsfreiheit) aufhören/beginnen, Die meisten würden wahrscheinlich Immanuel Kant mit “Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt” zitieren.
Um den obigen Fall zu versimpeln, nehmen wir an, jemand würde “Ich hasse XY aufgrund seiner sexuellen Orientierung und will ihn tot sehen” proklamieren, dann kann ich verstehen, warum jemand – der sich ein “deterministisches Rechtsmodell” wünscht – das als von der Meinungsfreiheit geschützte Aussage klassifiziert, denn “XY” hat ja keinen rechtlichen oder “realen” Nachteil, nur weil jemand ihm den Tod wünscht. Ich würde eben nicht versuchen, diese Route zu gehen, um Entscheide von Gerichten zu prognostizieren/zu verstehen, sondern würde folgende Sichtweise empfehlen:
Historisch gesehen (und nicht rechtswissenschaftlich) ist die eigentliche Aufgabe eben nicht “Gerechtigkeit” (z.B. nach einem “deterministischen Rechtsmodell” oder gar “Moral”) herzustellen, sondern um Frieden (im Staat/Bund/Organisation etc.) zu wahren; selbstverständlich sind sie nicht die einzige dafür
zuständige Staatsgewalt.
Als ein Beispiel möchte ich das Hakenkreuz nehmen: In Westeuropa ein heisses Eisen, jedoch würde in Japan und China niemand es als das Hakenkreuz der Nazis erkennen, sondern eher als heiliges religiöses Symbol, das auf hinduistischen und buddhistischen Tempeln zu sehen ist. In China und Japan würde kein Gericht jemanden verurteilen, weil er ein Hakenkreuz trägt, da dort das “System” davon nicht gefährdet ist. Umgekehrt würde hier kein Gericht jemanden aufgrund der drei T/”3T” (Taiwan, Tibet, Tiananmen Square) verurteilen.
Im Grossen und Ganzen handeln die Gerichte eben nach diesem Schema (“Schütz/Wahre das Gefüge”), ansonsten könnten sie langfristig nicht existieren/richtig funktionieren. Natürlich wird es Richter geben, die auch nach Ihrem Eigeninteresse (kann auch einfach “Seelenfrieden” sein) handeln, aber das wird nicht die Mehrheit sein können (da sonst weg) und im Durschnitt sind die Entscheide zum Wohle des Gefüges.
Versuchen Sie doch einmal, den Tod des Rechtssystems zu proklamieren (z.B. machbare Wege fiktiv behandeln) oder eine Anleitung zum fiktiven Bomben und sehen Sie, wie weit die Meinungsfreiheit dort reicht. Desto schwächer und/oder kleiner das Gefüge ist, desto eher werden die Rechte gebeugt/missachtet, desto stärker und/oder grösser, desto eher werden diese respektiert.
Wenn dem so ist hat das aber wenig mit Rechtsstaat zu tun sondern eben mit der Pflege der lokalen Ideologie und dem bedienen des Stammtischklientels dem es am nötigen Bildungswissen fehlt.
Auf die Gefahr hin, dass mich einige Juristen hier nach dieser Meinung verhauen wollen: Rechtswissenschaft ist nunmal keine Naturwissenschaft/exakte Wissenschaft, sondern leitet sich von Formalwissenschaften>Textwissenschaften ab. Sie können “simple” mathematische Probleme weltweit (bzw. überall im Universum) jedem Mathematiker stellen und erhalten die (exakt) gleiche Antwort; Bei einem rechtlichen Problem werden sie von Land zu Land (bzw. Rechtsraum) verschiedene Antworten erhalten. Bei nicht so simplen rechtlichen Problemen kann es sogar vorkommen, dass zwei Juristen aus dem gleichen Rechtsgebiet & Rechtsraum Ihnen verschiedene Antworten geben. Im Strafrecht (vielleicht sogar in sämtlichen Rechtsgebieten) zählt nunmal das Menschliche mit/mehr – es gehört eher zu den Geisteswissenschaften (ähnlich wie Theologie).
Selbst wenn die Justiz gemäss eines exakten Modells vorgehen würde, dann darf man nicht vergessen, dass menschliches Versagen in allen “Systemen” die häufigste Fehlerquelle bleibt. In erster Linie sind die Richter & Staatsanwälte Menschen und somit an sich selbst interessiert (jeder guckt zuerst auf sich), deshalb ist auch das “beste Rechtssystem” (was auch immer das darstellen sollte) gefährdet. Wir alle haben Dreck am Stecken und sind irgendwo erpressbar. Wenn Sie es schaffen einen Richter zu erpressen (können auch sexuelle Vorlieben sein), dann hat das “System” versagt. Wir alle haben einen Preis/sind bestechbar. Das Sprichwort “Zuerst das Fressen, dann die Moral!” bringt es kurz auf den Punkt.
Nebenbei bemerkt werden die Richter und Staatsanwälte (je nach Kanton direkt/indirekt) gewählt – damit wird dieses Gebiet auch politisch, denn wie John Barry schon sagte “When you mix politics and science, you get politics”. In der Politik verliert nunmal der Ehrliche gegen den Korrupten. Um den letzten Satz zu verstehen empfehle ich das Bildungsvideo “Rules for Rulers” von CGP Grey ( https://youtu.be/rStL7niR7gs ) anzusehen. Kurz gesagt müsste auch der fiktive “beste, unvoreingenommenste, fairste Richter” sich der “lokalen Ideologie” und dem “Stammtischklientel” beugen, ansonsten wird er abgewählt bzw. “von sich aus” abtreten.
Ich kann kaum erwarten das Chat GPT Urteile fällen und schreiben kann, ansonsten gebe ich Ihnen vollumfänglich Recht. Was mich stört ist das man dann Rechtsgleichheit und solchen Schwachsinn ins Gesetz schreibt, den die gibt es gar nicht, je nach Moral und Ethik des richtenden wird eine Strafe härter oder weniger hart ausfallen, Ausländer werden von SVP Richtern häter angefasst als von Grünen oder SP Richtern das gleiche bei Kiffern. Insofern könnte uns die digitalisierung hier tatsächliche Rechtsgleichheit bringe
Ich habe das Video nicht gesehen – persönlich begrüsse ich die Verurteilung von Alain Soral, einem schweizerisch-französischer rechtsextremer Essayist und Holocaust-Leugner (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Alain_Soral). Ob es dazu einen publizierten BGE gebraucht hat, kann offen bleiben.
Was Ihr Vergleich mit den Pro Hamas-Demonstranten soll, ist schleierhaft. Wer eine Terrororganisation, welche die Vernichtung eines Staates zum Ziel hat, unterstützt, verdient keinen Rechtsschutz. Falls Sie statt Pro Hamas eigentlich Pro Palästina gemeint gemeint haben sollten, gilt es zu berücksichtigen, dass diejenigen Parolen, welche den Staat Israel nicht in eine Lösung miteinbeziehen (z.B. from the river to the sea, wo offensichtlich kein Platz für den bestehenden Staat bleibt), äusserst problematisch sind und es den meisten Demonstrierenden an einem grundlegenden Geschichtsverständnis (soviel zum von Ihnen erwähnten politischen Kontext) fehlt, das über die letzten aktuellen Vorkommnisse hinausgeht.
Es ging mir um Strafrecht, nicht um politische Ansichten.
@Laie: eieieiei…Gott sei Dank betitteln Sie sich selbst als Laie…
@Anonymous Ich misse Ihre sachliche Kritik, aber die haben Sie natürlich nicht wirklich vergessen, sondern sich einfach geschämt abzusenden.
Ungern möchte ich Ihr inneres Kind wecken, aber Gott, den Osterhasen, Weihnachtsmann etc. gibt es nicht, falls Sie dennoch (wirklich) glauben, dass eine Entität Sie ständig beobachtet, dann scheuen Sie sich nicht den Namen (nicht gleichzusetzen mit “Titel”) Shizo zu verwenden.
Leute wie sie würde ich gerne im Bundesgericht sehen während ich Leute wie Anonymous gerne im Gefägnis sehen würde, ich denke der Rechstaat würde besser funktionieren.
Aber uns bleibt zu mindest die Hoffnung das dereinst die Straftaten der Staatsanwälte auch als solche Behandlet werden, es wäre nicht das erste mal in der Geschichte in dem nach einiger Zeit die helfers Helfer für ihr tun auch zur Rechenschaft gezogen werden. Ja auch Adolf wurde gewählt und alles war geltends Recht.
Ich bin Aktivist*in im Bereich Hatespeech und strafrechtliche Verfolgung. Offenbar ist nur wenigen Schweizer*innen bekannt, dass der lange und kräftige Arm der deutschen Justiz durchaus auch in die Schweiz reicht bei dem Straftatbestand der Volksverhetzung und ähnlichen Delikten. In meiner Praxis werde ich regelmässig mit Tätern aus der Schweiz konfrontiert. Zumal es genug privatrechtliche Anlaufstellen im Nachbarland Baden-Würtemberg wie die Meldestelle Respect! gibt, die konsequent Strafanzeige gegen Täter stellt. Der Handlungs- oder Erfolgsort der Straftat kann schnell in Deutschland begründet werden, zudem sind Provider auch in der Regel sehr kooperativ bei Behördenanfragen. Eine Verurteilung in Deutschland hat zudem den Vorteil, dass diese ab einem bestimmten Strafmass auch im Bundeszentralregister eingetragen wird und nachteilige Folgen für Täter haben wird, die z.b. ihren Wohnsitz von der Schweiz nach Deutschland verlegen möchten.
Das gibts heute? Ist das Lebensinhalt oder Beruf? Und an Wochenende an die Strasse kleben und damit Hoffen das Klima zu retten?
Von der Schweiz nach Deutschland ziehen? Wer macht den sowas? Finanzielle Kastration oder wie? Villeicht ein paar Kiffer, mittellose Kiffer, die Kleben sich aussversehen am Flugzeug fest auf der Anreise zur Demo.
Was ihr Kommentar gut zeigt wir verschieden uns immer mehr von den Prinzipien eines Rechtstaates, wo zB Territorialprinzip ein Grundsatz wäre.