Aus dem Leben eines Strafverteidigers
Ein Klient hat mich neulich telefonisch angefragt, ob ich ihn vertreten könne. Nach über 30 Jahren im Vollzug wolle er prüfen lassen, ob er nicht doch noch eine Chance habe, jemals wieder in Freiheit leben zu können. Seine Ausführungen erschienen mir interessant, sodass ich ihm versprach, das Dossier einzusehen und eine Mandatsübernahme zu prüfen.
Das zuständige Amt hat dann umgehend auf mein Akteneinsichtsgesuch reagiert und mir telefonisch mitgeteilt, man dürfe keine Originalakten herausgeben. Es könne ja immer etwas verloren gehen. Darüber habe ich mich zwar gewundert, denn diesen Spruch hört man als Anwalt eigentlich nur von Steuerämtern. Aber ich wollte ja nicht diskutieren, sondern Akten einsehen. Deshalb versicherte ich sogleich, ich könne sehr gut auch mit Fotokopien oder noch besser mit elektronischen Akten leben. Dass die Akten in digitaler Form nicht verfügbar sein sollen, hat mich nicht überrascht, weshalb nur noch die Fotokopien blieben.
Ich stellte mir bereits den Sattelschlepper vor, mit dem mir die über 30 Jahre angesammelten Vollzugsakten geliefert würden, als mich die Sachbearbeiterin fragte, ob ich wirklich alle Akten brauche. Ich lachte und nahm an, sie habe wohl auch den Sattelschlepper vor Augen. Es stellte sich aber heraus, dass es nicht der Sattelschlepper war, den sie sich vorstellte. Sie wollte mir nur schonend beibringen, dass sich mein Mandant sein Dossier nicht leisten kann. Eine Fotokopie müsse gestützt auf irgendeine kantonale Gebührenverordnung mit CHF 2.30 in Rechnung gestellt werden.
Das also ist der wahre Grund, warum die Akten nicht herausgegeben werden. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum mein Mandant im Vollzug sterben wird.
Du musst halt die unentgeltliche Akteneinsicht beantragen wegen Bedürftigkeit, fehlender Aussichtslosigkeit – und was war noch mal das dritte Kriterium?
Sie empfinden das als erstaunlich, ich als Privatperson die mich selbst jeweils verteidigt gibt es gar nichts anderes, ich kriege noch nicht einmal Fotokopien zugestellt sondern ich muss die Akten vor Ort begutachten, Fotokopien kosten dann auch Fr. 1.00, da ich meistens Gewinne lasse ich diese zu den Untersuchungskosten schlagen, wenn ich bedenken am obsiegen habe mache ich mit dem Handy Fotos der Akten.
Es könnte sich lohnen das kantonale Datenschutzgesetz anzuschauen. Darin ist meist eine Auskunft (also auch Zustellung der Kopien der Personendaten) unentgeltlich.
Zumindest nach dem eidgenössischen DSG ist dies der Fall. Bei besonders aufwändigen Anfragen kann dort noch eine Umtriebsentschädigung von bis zu CHF 300.– einverlangt werden – das muss aber auch im voraus bekannt gegeben werden. Leider ist das eidgenössische DSG nur auf Bundesbehörden und Private anwendbar.
Hmm 500 Blatt Papier kosten ca. 7.- und so eine Tonerkassete für 15’000 Kopien kostet ca. 100-200.- je nach dem… Das was die also da machen ist Wucher, nicht mal eine Druckerei verlangt 1.- pro Kopie, da sind es 0.20 Rappen… Und warum darf ich eigentlich nicht auch 1.- pro Kopie verlangen, wenn Ämter von mir Kopien wollen, wäre ja nur fair oder? Aber nein ich muss die selber bezahlen und denen gratis liefern, ein frechheit sowas!
Ich möchte ja nun nicht der Spielverderber sein, aber alle Anwälte haben mir bisher ebenfalls Fr. 1.00 pro Kopie verrechnet, welche ich mandatiert habe.
Immerhin weniger als die Hälfte und gestützt auf eine Honorarvereinbarung.
Die Kernfrage, warum ist der Mann so lange eingesperrt? Es wird wohl einen Grund haben…
Nein, lieber COP, das ist nicht die Kernfrage. Aber nur zur Information: Der Mann hat 12 Jahre gekriegt und sitzt seit 30. Aber eben, auch wenn er lebenslänglich gekriegt hätte, hätte er Anspruch auf seine Akten, ohne zehntausende von Franken dafür bezahlen zu müssen.
Bitte sagen sie dass das nicht wahr ist! Egal was er getan hat. Aber das jemand in der Schweiz 30 Jahre im Gefängnis ist und seine Akten nicht einsehen kann weil er oder sie es sich nicht leisten kann!. Das ist eines Rechtsstaates nicht würdig.
Einsichtnahme vor Ort ist wohl immer (unentgeltlich) möglich, bei Privatpersonen sowieso die Regel, aber sicherlich auch Anwälten nicht verwehrt: Da fallen dann halt nicht zwingend Kopierkosten an und Versandkosten entfallen ebenfalls – aber gratis ist das für den Klienten auch nicht: So hinsichtlich Zeit, Weg, (ev. Terminfindung), etc. Es bleibt dabei wohl fraglich, was dann für den Klienten „günstiger“ kommt… 😉