Ausländer auf Autobahnen in der Schweiz
Personen, die im Ausland wohnen und in der Schweiz die Autobahn benützen, ist dringend zu empfehlen, genügend Bargeld mitzuführen, um allfällige Verkehrsbussen sicherstellen zu können. Das folgere ich aus einem neuen Urteil des Bundesgerichts, das zur Publikation in der AS bestimmt ist (BGE 1B_698/2011 vom 09.05.2012).
Im Kanton BL (vielleicht auch in anderen Kantonen, bald aber sicher in jedem) besteht eine staatsanwaltschaftliche Weisung, wonach bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26-30 km/h auf der Autobahn ein Bussendepositum von CHF 400.00 und ein Kostendepositum von CHF 150.00 erhoben werden kann. Diese Weisung hat die Kantonspolizei vollzogen und einem ausländischen Automobilisten CHF 550.00 abgenommen. Dessen Beschwerde hiess die kantonale Beschwerdeinstanz gut. Das Bundesgericht kassiert den Entscheid auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin.
Zur Zulässigkeit der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen vorinstanzlichen Zwischenentscheid:
Nach der Rechtsprechung muss es sich beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG im Bereich des Strafrechts (vgl. BGE 135 II 30 E. 1.3.4 S. 36) um einen solchen rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Endentscheid nicht mehr gänzlich behoben werden könnte. Die Möglichkeit eines solchen Nachteils genügt. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie insbesondere die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens reicht dagegen nicht aus (BGE 137 III 380 E. 1.2.1 S. 382 mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin wird mit dem angefochtenen Entscheid verpflichtet, dem Beschwerdegegner den Betrag von Fr. 550.– zu überweisen. Der Beschwerdegegner wohnt im Ausland. Damit bestünde die Gefahr, dass im Falle seiner Verurteilung zu einer Busse diese nicht eingetrieben werden könnte und der staatliche Strafanspruch – für dessen gleichmässige Durchsetzung die Staatsanwaltschaft gemäss Art. 16 Abs. 1 StPO (SR 312.0) verantwortlich ist – vereitelt würde. Die Möglichkeit des nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist damit zu bejahen (E. 1.4).
Bei dieser Begründung kann ich mir keinen Fall mehr vorstellen, bei dem die Staatsanwaltschaft nicht berechtigt wäre, einen Zwischenentscheid beim Bundesgericht anzufechten. Aber wahrscheinlich wird dieser Teil des Entscheids ja dann gar nicht in die vorgesehene Publikation aufgenommen.
In der Sache überzeugt mich das Urteil des Bundesgerichts ebenfalls nicht:
Art. 263 Abs. 3 StPO ist nur bei Gefahr im Verzug anwendbar. Bei nicht sofortigem Zugriff muss der Verlust des Vermögenswertes drohen (…). Im vorliegenden Fall hat die Polizei eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Beschwerdegegners auf der Autobahn unmittelbar festgestellt und ihn angehalten. Er war in Richtung seines Heimatlandes unterwegs und befand sich nicht mehr sehr weit von der Grenze entfernt. Hätte ihm die Polizei nicht sogleich das Bussen- und Kostendepositum abgenommen, hätte er nach der Freigabe der Weiterfahrt rasch in sein Heimatland zurückkehren können. Die Eintreibung von Busse und Verfahrenskosten im Falle einer Verurteilung hätte dann scheitern können. Unter diesen Umständen ist Gefahr im Verzug im Sinne von Art. 263 Abs. 3 StPO zu bejahen. Die Polizei durfte daher die bei einer Verurteilung zu erwartenden Busse und Verfahrenskosten zuhanden der Staatsanwaltschaft vorläufig sicherstellen (E. 3.3.2).
Dass kein Beschlagnahmebefehl vorlag, stört das Bundesgericht nicht:
Die Rechtsstellung des Beschuldigten würde nicht verbessert, wenn man die Polizei in Fällen wie hier verpflichten wollte, vor der Sicherstellung beim Pikett der Staatsanwaltschaft einen mündlichen Beschlagnahmebefehl gemäss Art. 263 Abs. 2 Satz 2 StPO einzuholen. Denn es liegt auf der Hand, dass das Pikett die Beschlagnahme im in der Weisung vorgesehenen Betrag jeweils anordnen würde (E. 3.3.5).
Und wer das nötige Bargeld nicht auf sich trägt, wird in Zukunft wohl verhaftet:
Die Beschwerdeführerin verweist auf Art. 217 Abs. 3 lit. b StPO. Danach kann die Polizei eine Person, die sie bei der Begehung einer Übertretung auf frischer Tat ertappt oder unmittelbar nach Begehung einer solchen Tat angetroffen hat, vorläufig festnehmen und auf den Polizeiposten bringen, wenn die Person nicht in der Schweiz wohnt und nicht unverzüglich eine Sicherheit für die zu erwartende Busse leistet. Diese Bestimmung bezweckt ebenfalls die Sicherstellung der Vollstreckung und ergänzt insoweit Art. 263 StPO (…). Die vorläufige Festnahme kommt allerdings nur in Betracht, wenn die zu erwartende Busse nicht nach Art. 263 StPO sichergestellt werden kann. Die Sicherstellung geht als weniger einschneidende Massnahme also vor (…) [E.3.3.6].
Wäre interessant zu wissen wie die Rechtslage ist, wenn ein Schweizer in vergleichbarer Situation innerhalb der EU von der Polizei angehalten wird?
Zum Thema: Ich habe im Juli 2017 wegen 16 km/H zu schnell in geschlossener Ortschaft, Bereich St. Gallen eine Busse von 400,00 SFr. und 180,00 SFr. Verwaltungsgebühr bezahlt. An die Staatsanwaltschaft.
Ende Januar 2018 erhalte ich in der selbigen Angelegenheit, vom Strassenverkehrs- u. Schifffahrtsamt ein Administrativmassnahmen-Verfahren. Wegen einer leichten Wiederhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften, wird mir eine Verwarnung erteilt. Die Verfahrensgebühren
betragen SFr. 140.00.
Zweimal für die gleiche Sache bestraft zu werden, unglaublich. Vielleicht ein Fake? Vielleicht kommt aber auch in 5 Monaten ein Strafbefehl von der Ausländerbehörde. Ich werde das nicht bezahlen und warten bis es in 4 Jahren verjährt ist.
Wir mögen es, Straftäter wie Sie mit möglichst vielen Verfahren einzudecken. Das zeit nicht nur die Macht unseres Staatsapparats, es ist auch ein wichtiger Beitrag an seine horrenden Kosten. Das Migrationsamt erfährt leider von ihren Schandtaten wohl nichts. Aber eigentlich wäre eine langjährige Einreisesperre angemessen.
Ich finde es unglaublich, dass es Leute wie Sie gibt, die mit 16 km/h (nach Abzug!) durch eine geschlossene Ortschaft fahren.
Wer mit Tempo 60 unterwegs ist, hat einen viermal so langen Bremsweg wie mit Tempo 30. Warum ist das so? Die Bewegungsenergie des Fahrzeugs verdoppelt sich nicht, sondern steigt exponentiell zur gefahrenen Geschwindigkeit. Liegt der Bremsweg auf trockenem Asphalt bei Tempo 30 noch bei rund neun Metern, so sind es mit 60 km/h bereits 36 (!!!!) Meter.
Zudem: Die horrenden Staatskosten werden u.a. auch durch die amtlichen Verteidiger verursacht, die – wie in casu – Straftäter in Schutz nehmen und die konsequente Verfolgung eben dieser ins Lächerliche zieht. Aber immer schön die Kostennote dem Staat zukommen lassen….
Wer sagt im obigen Kommentar etwas von “Ausländer” oder bedürftiger Person?
Einfach jemand der nicht weiss, dass Straf- und Administrativverfahren zum gleichen Sachverhalt nach BGer nicht “ne bis in idem” triggert.
Viele Kollegen hätten keine Arbeit mehr, wenn die Leute immer alles wüssten…
Als Schweizerin machte ich folgende Erfahrung und es wird mir eine Lehre fürs Leben sein:
Sommer 2012 wurde die Autobahn bei Oensingen wegen Baustelle auf 80km/h begrenzt. Geblitz wurde ich ich mit ca. 98km/h. Die Ordnungsbusse/Bedenkzettel schmetterte ich mir “Ich erhebe Einsprache” ab (Standartverhalten bei mir weil ich schon antizipiert hatte, was noch passieren sollte…).
Darauf folgte im Abstand von je 3-4 Monaten zwei Mal eine Aufforderung meine Einsprache zu begründen (jeweils per B-Post). Solche Schreiben landen bei mir direkt im Müll.
Danach passierte nichts mehr.
Aufgrund der Verjährung wird auch nichts mehr passieren und gespart habe ich mindestens 250.-
Fazit: Jede Verkehrsbusse mit “Ich erhebe Einsprache” (ohne Begründung!) zurückzusenden, schadet ganz sicher nicht. Jede Einsprache kann jederzeit zurückgezogen werden. Wer die Pendenzenberge bei Bussen (Kanton Bern z.B über 20’000, Solothurn damals ca. 12’000) kennt, kann gut darauf spekulieren dass die Angelegenheit folgenlos versandet.
Es lohnt sich also (je nach Kanton) abzuwarten und Tee zu trinken.