Ausländische Staatsanwälte bei der Bundesanwaltschaft
Die NZZ am Sonntag berichtet heute (Zugang kostenpflichtig), dass bei der Bundesanwaltschaft eine Niederländerin, eine Italienerin und demnächst ein Deutscher als Staatsanwälte des Bundes beschäftigt werden. Dazu befragte Rechtsprofessoren und Politiker werden etwa mit folgenden Äusserungen zitiert:
- höchst problematisch
- enorme Akzeptanzprobleme
- fremde Richter
- skandalös
- Sauerei
- besonders heikel
Ein Rechtsprofessor macht geltend, Staatsanwälte seien das
eigentliche Machtzentrum innerhalb der Justiz.
Dass Staatsanwaltschaften tatsächlich Machtzentren darstellen, ist sicher richtig. Nicht richtig ist hingegen, dass sie der Justiz angehören. Umso problematischer ist, dass sie mehr und mehr richterliche Funktionen wahrnehmen und dabei keiner wirksamen Kontrolle unterstehen. Roter oder blauer Pass ist da doch eher sekundär.
Ich finde es keineswegs problematisch, wenn STA richterliche Funktionen übernehmen, zumal unsere Gerichte notorisch überlastet sind. Ausserdem unterstehen die Strafbefehle einer Einsprache an das Gericht.
Es ist schon lange nicht mehr klar, wo die juristische Gewaltenteilung zu finden ist. Es gibt breite Kreise im Volk, die selber Richter spielen wollen mit ihren “Unverjährbarkeits”-Initiativen…
Interessante Auffassung, Simon. Weil Richter überlastet sind (die meisten sind es übrigens nicht), sollen wir das Richten den Staatsanwälten überlassen? Die Macht der Staatsanwälte liegt im Übrigen am allerwenigsten darin, Strafbefehle zu erlassen.
Ja, die rechtsstaatliche Ordnung ist ein bisschen durcheinander geraten, Thommen. Wenn ich es richtig sehe, war die Schweiz aber in Sachen Gewaltentrennung (oder vielleicht doch besser Gewaltenteilung?) sowie “checks and balances” nie ein Vorbild.
Gerade weil die Staatsanwälte Strafbescheide innerhalb einer gewissen Kompetenz selbst erlassen können, sind die Gericht wohl nicht überlastet. Die “wirksame” Kontrolle ist in der Möglichkeit der Einsprache und der damit verbundenen Beurteilung durch einen “richtigen” Richter zu sehen.
So einfach ist es eben nicht.
Für die hohe Strafbefehlskompetenz ist auch folgendes zu beachten: Nach den modernen Prozessordnungen werden ca. 95% aller Strafverfahren durch Strafbefehl abgeschlossen. Die Fehlerquote dürfte v.a. in denjenigen Kantonen erheblich sein,, in denen gar keine eigentliche Untersuchung mehr stattfindet, sondern stattdessen dem Erstbesten einfach mal eine “Urteilsofferte” unterbreitet wird (vgl- dazu einen früheren Beitrag). Eine sorgfältige Risikoanalyse (Kosten!) führt auch von ihrer Unschuld überzeugte Betroffene häufig zum Verzicht auf eine Einsprache. Abschreckend wirkt für viele auch die Öffentlichkeit einer Gerichtsverhandlung. Kürzlich hat es ein Staatsanwalt gegenüber einem Beschuldigten (Kinderpornografie) so ausgedrückt: Ich empfehlen ihnen, lieber den Strafbefehl zu akzeptieren als die ganze Familie mit Kinderpornografie in Verbindung zu bringen.
Die Problematik mit der Öffentlichkeit leuchtet ein – ist allerdings zweischneidig. Denn das Strafbefehlsverfahren bietet, natürlich vorausgesetzt das Urteil ist “korrekt”, gerade auch einen gewissen Schutz vor der Öffentlichkeit. Jemand, der sich wirklich der Pornographie strafbar gemacht haben sollte, dürfte wohl froh sein, wenn sein Fall mittels Strafbefehl erledigt werden kann.
Genau. Und jemand der bloss verdächtigt wird, wird auch als Unschuldiger um den Strafbefehl froh sein.