Aussage gegen Aussage
Das Bundesgericht bestätigt eine Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung (6B_385/2007 vom 09.11.2007), die im Wesentlichen auf den belastenden Aussagen des Opfers beruhte. Auf die Beschwerde des Verurteilten trat das Bundesgericht wegen Verletzung des Rügeprinzips nicht einmal ein:
Die Beschwerde erschöpft sich damit in appellatorischer Kritik, die nicht geeignet ist, dem Obergericht eine Verfassungsverletzung bei der Sachverhaltsermittlung nachzuweisen, was unzulässig ist (E. 2.4).
Wie wenig an Beweis es manchmal für eine Verurteilung braucht, zeigt die Begründung der Vorinstanz, die in E. 2.3 zusammengefasst ist:
Das Obergericht hält im angefochtenen Entscheid (E. 3.4.2.1 f. S. 11 f.) die Aussagen der Geschädigten für überzeugend, da sie im Kern immer gleichgeblieben seien, die Ereignisse samt deren Vorgeschichte nachvollziehbar und anschaulich, mit einer starken persönlichen Prägung darlegten und ein in sich stimmiges Ganzes ergäben. Für die Glaubhaftigkeit der Aussagen spreche zudem, dass die Geschädigte gezögert habe, den Beschwerdeführer anzuzeigen und dessen Namen nicht einmal selber genannt habe. Im Laufe der Untersuchung habe sie den Wunsch geäussert, die Anzeige zurückzuziehen, da sie nicht an einer strafrechtlichen Beurteilung des Beschwerdeführers interessiert sei. Es sei ihr ausschliesslich darum gegangen, diesem klarzumachen, dass er „so etwas“ mit einer Frau nicht machen könne. Weiter sei die Darstellung mit den spärlichen objektiven Beweismitteln im Einklang: So decke sich der Umstand, dass ihr Jupe Spermaspuren aufwies, mit ihrer Aussage, der Beschwerdeführer habe diesen während der Vergewaltigung hochgeschoben.
Die Aussagen des Beschwerdeführers hält das Obergericht dagegen für unglaubhaft (angefochtener Entscheid E. 3.4.2.3 S. 13 f.). Der mit Sperma verschmutzte Jupe spreche gegen seine Version, er habe die Geschädigte ausgezogen, bevor er mit ihr einvernehmlich den Geschlechtsakt vollzogen habe. Beim von ihm gewünschten Treffen sei es darum gegangen, dass ihm die Geschädigte von Angesicht zu Angesicht bestätigten sollte, einen neuen Freund zu haben. Seine Behauptung, dieser Punkt sei im Gespräch im Garten nicht angesprochen worden, er habe erst während bzw. nach dem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr erfahren, dass sie einen neuen Freund habe, sei offensichtlich falsch und diene lediglich dazu, sein Verhalten nachträglich zu rechtfertigen und teilweise zu entschuldigen.
Die immer wieder beschworene materielle Wahrheit ergab sich auch hier aus dem schlüssigeren Aussageverhalten des Opfers. Dass dadurch jemals jeder vernünftige Zweifel an der Schuld eines Angeklagten überwunden werden kann, erscheint mir als schlicht undenkbar. Eine Verletzung der Unschuldsvermutung war hier allerdings ja auch nicht gerügt, so dass das Urteil des Bundesgerichts als richtig erscheint, und zwar auch für den Fall, dass die Ausführungen des Opfers tatsächlich falsch waren.
Hier verstehe ich Ihre Bedenken offen gesagt überhaupt nicht. Die Aussagen wurden gewürdigt und jene des Angeschuldigten für wenig glaubhaft erachtet, die des Opfers dagegen schon. Darin liegt doch nicht eine Verletzung der Unschuldsvermutung? Diese verpflichtet ja nicht, bei einem rein zahlenmässigen Gleichstand von sich widersprechenden Aussagen jenen des Angeschuldigten den Vorzug zu geben, sondern eben nur, wenn bei der Würdigung vernünftige Zweifel bestehen. Das war hier offenbar nicht der Fall, und die dafür gelieferte Begründung des Gerichts scheint mir ebenfalls schlüssig (soweit ohne Detailkenntnisse zu beurteilen).
Vergewaltigung würde überdies zum toten Buchstaben, wenn glaubhafte, schlüssige Aussagen eines Opfers, die sich dann wie hier noch mit gewissen weiteren Indizien decken, per se nicht für eine Verurteilung ausreichen würden. Immerhin gelangen jene Sexualstrafverfahren, wo es wirklich nur gerade Aussage gegen Aussage steht, kaum je überhaupt zur Anklage, und das regelmässig in eigentlich unzulässiger Umgehung des (Strafverfolgungs-)Grundsatzes „in dubio pro duriore“, dafür „im Zweifel für die Erledigung“.
Ich finde es immer irgendwie erstaunlich – und ich meine das nicht als Angriff gegen Sie persönlich, sondern als generelle Feststellung – dass Beweislagen, die bei einer Verurteilung wegen Raub oder Körperverletzung anstandslos hingenommen würden, bei Sexualdelikten immer mit einer gewissen Skepsis begegnet wird.
Natürlich ist es immer ein bisschen gefährlich, wenn man ein Urteil kritisiert ohne die Akten (die ja im Übrigen auch nie den wahren Gehalt von Aussagen wiedergeben können) im Einzelnen zu kennen. Ich habe einfach den Eindruck, dass mit „in dubio pro reo“ zu grosszügig zu Lasten der Beschuldigten umgegangen wird, und zwar völlig unabhängig von der Art des eingeklagten Delikts.
Ich bezweifle, dass es bei mehr oder weniger reinen „Aussage-gegen-Aussage“-Konstellationen jemals intellektuell redlich sein kann, vernünftige Zweifel auszuschliessen. Es ist doch geradezu offensichtlich, dass eine Tendenz dazu besteht, fehlende Überzeugung mit milden Strafen zu kompensieren. In casu erscheinen mir die 18 Monate bedingt als eher mild, obwohl die Strafzumessungsfaktoren im Einzelnen nicht aus dem Urteil hervorgehen.
Der m.E. zu lockere Umgang mit der Unschuldsvermutung birgt die Gefahr, dass Unschuldige verurteilt werden. Wenn bei strikterer Anwendung umgekehrt Täter freigesprochen werden, halte ich dies für wesentlich weniger gravierend. Das ist der ungerechte Preis, den der Rechtsstaat wohl oder übel zu zahlen hat.
Im letzten Punkt gehe ich mit Ihnen einig, ich sehe nur eine gewisse Tendenz, diesen ‚Preis‘ bei Sexualdelikten aufzuerlegen als bei anderen Delikten. Wie gesagt, ein grosser Teil der Fälle gelangt ja schon gar nicht zur Anklage (die nicht angezeigten sind hier ja nicht das Thema). Würde man diese Fälle pflichtgemäss anklagen, fiele die Statistik wohl deutlich zu Gunsten „in dubio pro reo“ aus.
Heute werden einerseits viele Opfer um einen Prozess geprellt, andererseits müssen einige Angeschuldigte einen teilweise ungerechtfertigten „da wird schon was dran sein“-Malus gewärtigen, wo es tatsächlich zum Prozess kommt.
Mag sein, ja. Aber wie auch immer man das Ganze beurteilt – das Strafrecht ist halt nicht perfekt und löst auch keine gesellschaftlichen Probleme.
Da hat also einer eine Beschwerde wegen Willkür eingereicht. In der Gerichtsverfassung ist explizit die Willkür erwähnt, welche man beim Bundesgericht rügen kann. Gemäss steter Rechtssprechung des Bundesgerichts gibt es jedoch explizit keine Willkür.
Die Willkür ist der einzige Artikel, in welchem das ansonsten stets willkürliche Bundesgericht tatsächlich stets gleich entscheidet und die geltend gemachte Willkür stets ablehnt.
Die Bundesverfassung ist nicht einmal die Tinte wert, wunderbare Versprechungen und wenn man sich darauf beruft, ist sie momentan gerade ausser Betrieb, die BV ist eine absichtliche Irreführung und Vortäuschung falscher Tatsachen duch den Staat und dies sieht man bei keinem Artikel so gut wie beim Willkürartikel.
Unwidersprochen kann man tatsächlich Willkür rügen. In der Schweiz gibt es zwei Artikel, bei welchen tatsächlich Rechtssicherheit besteht. Die Willkür und Amtsmissbrauch, beide werden stets unbesehen abgeschmettert, der Rest ist reine Lotterie.
Dieses Urteil finde ich auch bemerkenswert, da sich die Frage stellt, wie der Mann den Beweis seiner Unschuld erbringen kann – es ist unmöglich.
Die in den Erwägungen des Gerichts aufgeführten Aussagen der Frau machen mich ebenfalls stutzig. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass wenn die STA einen Fall entgegen nimmt, sie diesen auch gewinnen will. Die Beweiserhebungen bestanden offensichtlich einzig und allein in den Befragungen der beiden Personen. Dazu werden Protokolle als Beweismittel von der STA erstellt, nur – die schreibt auf, was und wie sie es hören will (tendenziöse Fälschung von Beweismitteln zum eigenen Vorteil). Dass es sich um falsche Anschuldigungen handeln kann, Vergewaltigung als Waffe (ist gar nicht so selten) wird von der STA von vornherein ausgeschlossen. Dem Angeschuldigten wird einfach unterstellt, weil er Angeschuldigter sei, würde er Lügen und sei nicht glaubwürdig. Die Unschuldsvermutung untersagt dem Staat, dem Angeschuldigten zu unterstellen, er würde lügen, WEIL er Angeschudligter sei, sondern der Staat müsste den Beweis ausserhalb erbringen, dass der Angeschuldigte lügt. Offensichtlich wurde der Wahrheitsgehalt nicht überprüft, obwohl er auf den Ehemann besagter Frau und deren Doppelspiel verwiesen hatte.
Die Begründung des Gerichts: „die Aussagen der Geschädigten sei überzeugend, da sie im Kern immer gleichgeblieben seien“, ist haarsträubend, wenn man weiss, wie genau diese überprüft werden. Die Dame geht zur Polizei und erstattet Anzeige, von der STA werden der Dame dann vorgängig die Polizeiprotokolle zugestellt und dann anlässlich der Einvernahme gefragt, ob ihre bei der Polizei gemachten Aussagen richtig und vollständig protokolliert worden seien – das wars dann. Wenn man sich nicht dagegen wehrt, wird man mit einer Begründung wie im oben genannten Urteil (Mangels Widersprüchen der Anzeigeerstatterin) gehängt.
Die Begründung des Gerichts ist völlig banal. Die haben einfach in einem Lehrbuch nachgeschaut, welche Anforderungen an eine Verurteilung gestellt würden, diese abgeschrieben, behauptet diese seien erfüllt und irgendwelchen Unsinn nachgeschoben.
Wenn man die unzähligen Urteile betreffend Sexualdelikten überprüft, stellt man schnell fest, dass das Urteil allein vom Aussageverhalten der Anzeigeerstatterein abhängt, ob sie sich widerspricht oder nicht, bei falschen Anschuldigungen ist es katastrophal. Der Angeschuldigte wird nur freigesprochen, wenn er (in Abwesenheit, vom Übertragungsraum aus) den Beweis erbringen kann, dass sich die Anzeigeerstatterin widersprach, ansonsten er verurteilt wird. Die Beamten werden tunlichst darauf achten, in den Protokollen der Anzeigeerstatterin keine Widersprüche festzuhalten, im Gegensatz zum Angeschuldigten, bei welchem versucht wird, Widersprüche zu generieren, damit er verurteilt werden kann. Der Staat degradiert sich zum Dienstleistungsbetrieb für Racheakte.
Was wirklich erschreckend ist, ist die Scheinheilligkeit und Verlogenheit der Justiz. Es wird so getan, als ob sie im Interesse und zum Schutz der Bevölkerung Verbrechen ahnden und aufklären wolle. De facto haben wir das Inquisitionsprinzip, die Staatsanwaltschaft versucht Bürger aufgrund von Behauptungen zu verurteilen. Es ist wie bei den Hexenprozessen, Bürger werden nicht wegen Verbrechen, sondern aufgrund von Behauptungen verurteilt. Wenn die Angeschuldigten den Beweis ihrer Unschuld nicht erbringen können, werden sie verurteilt.
Eine bedingte Verurteilung hat für den Staat einen ERHEBLICHEN Vorteil, er kann die Kosten abwälzen. Es geht nicht um 12 Monate bedingt, sondern um die Auferlegung der Kosten von 50’000 bis 100’000.-, welche dem schwächsten Glied der Kette, dem Angeschuldigten aufgebührdet werden. Aus genannten Gründen werden häufig gegen Angeschuldigten, welche in Untersuchungshaft waren, unbedingte Urteile ausgesprochen, welche seltsamerweise stets ein bisschen länger sind als die abgesessene Untersuchungshaft, obwohl die unterstellten Delikte üblicherweise nie mit derartigen drakonischen Strafen versehen werden.
So schrecklich es auch ist, Sexualdelikte eignen sich vorzüglich als Waffe für falsche Anschuldigungen. Ich verweise auf den Umstand, dass bei Scheidungen, wenn es um das Sorgerecht für die Kinder geht, in schöner Regelmässigkeit dem Kindsvater Kindsmissbrauch unterstellt wird. Dieser kann sich dann glücklich schätzen, wenn er überhaupt noch ein Besuchsrecht erhält.
Der Staat muss den hieb- und stichfesten Beweis der Existenz eines Verbrechens erbringen. Wie oft wurde in der Schweiz eine Frau wegen falscher Anschuldigung einer Vergewaltigung verurteilt? Noch nie. Einem Angeschuldigten einfach zu unterstellen, er würde lügen, weil er Angeschuldigter sei und diesem noch die Beweislast aufzubürden geht nicht. Aber um das geht es ja gar nicht, sondern um die Abwälzung der Kosten.