Aussage gegen Aussage

Es bleibt bundesrechtswidrig, einen Beweisantrag auf Befragung einer entscheidenden Belastungszeugin abzuweisen, die nie vor einem Richter angehört wurde.

Das stellt das Bundesgericht in einem neuen Entscheid klar (BGer 6B_318/2015 vom 28.10.2015):

Die vorinstanzliche Abweisung des Beweisantrags auf Befragung von B. erweist sich demgegenüber als bundesrechtswidrig. In ihrem Fall hatte bereits das erstinstanzliche Gericht auf die Durchführung einer Einvernahme verzichtet. Da eine klassische “Aussage gegen Aussage”-Situation vorliegt, die Bedeutung der Aussagen für den Verfahrensausgang somit sehr gross ist und überdies der Tatvorwurf schwer wiegt, erscheint für die Urteilsfällung mindestens eine unmittelbare Beweisabnahme durch ein Gericht im Sinne von Art. 343 Abs. 3 StPO als notwendig (vgl. auch BGE 140 IV 196 E. 4.4.3). Gerade auch vor dem Hintergrund, dass B. ihre Anzeige gegen den Beschwerdeführer zurückziehen wollte, hätte sich eine gerichtliche Befragung besonders aufgedrängt. Im Unterschied zum von der Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung wiederholt angeführten Bundesgerichtsurteil 6B_430/2015 vom 12. Juni 2015 liegen hier keinerlei Sachbeweise vor und ist die Aussage von B. das einzige Beweismittel im Zusammenhang mit ihrem Vorwurf gegen den Beschwerdeführer. Unter diesen gesamten Umständen darf nicht leichthin darauf verzichtet werden, dass sich wenigstens ein urteilendes Gericht einen unmittelbaren Eindruck von ihrem Aussageverhalten verschafft. Dem ebenfalls von der Vorinstanz zur Begründung herangezogenen Opferschutz muss in anderer Weise Rechnung getragen werden  (E. 1.5).