Aussageverweigerungsrecht c. Zeugnisverweigerungsrecht?
Gemäss § 15 Abs. 1 des zürcherischen Verkehrsabgabengesetzes ist der Halter eines Motorfahrzeuges oder Fahrrades verpflichtet, der Polizei Auskunft zu geben, wer das Fahrzeug geführt oder wem er es überlassen hat.
In einem heute online gestellten Urteil des Bundesgerichts (BGer 6B_512/2008 vom 07.08.2008) geht es um einen Beschwerdeführer, der diese Pflicht – auch nachdem er selbst von der Verkehrsregelverletzung freigesprochen worden war – verweigert hatte und dafür mit einer Busse von CHF 500.00 bestraft wurde. Das Bundesgericht bestätigt den Schuldspruch mit einer Begründung, die ich nicht nachvollziehen kann:
Aus dem Urteil des Bundesgerichts:
Nach der Feststellung der Vorinstanz hat er sich nur auf sein Aussageverweigerungs-, nicht aber auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen (…). Sein Vorbringen, die Vorinstanz habe nicht berücksichtigt, dass er dies „möglicherweise“ getan habe (…), ist abwegig. Zudem spielt das Zeugnisverweigerungsrecht ohnehin von vornherein keine Rolle, weil der Beschwerdeführer gar nicht als Zeuge einvernommen wurde (angefochtener Entscheid S. 9) (E. 2).
Man wirft dem Beschwerdeführer also vor, er habe sich nicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen und hält ihm gleichzeitig vor, dass er das ja auch nicht konnte, weil er gar nicht als Zeuge einvernommen wurde. Mir erscheint dies als zirkelschlüssig. Möglicherweise liegt das aber auch an der äusserst knappen Darstellung des Sachverhalts.
Wie soll sich nun also ein Freigesprochener verhalten, wenn er in einem anschliessenden Verfahren wegen Verweigerung der Auskunftspflicht verfolgt wird? Da er in diesem Anschlussverfahren ja auch wieder Beschuldigter ist, kann er sich gemäss Bundesgericht ja auch hier nicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen.
Solche knappen Sachverhaltsdarstellungen sind beim Bundesgericht ein beliebtes Mittel, um der Öffentlichkeit zu erschweren oder zu verunmöglichen, die Rechtmässigkeit der publizierten Entscheide beurteilen zu können.
Soweit ersichtlich, muss aufgrund des Anklagegrundsatzes die Verletzung der Auskunftspflicht bereits vor erster Instanz Teil der Anklage gewesen sein. Folglich muss sich der diesbezügliche Vorwurf auf einen Zeitraum vor der Anklageerhebung beziehen. Abgesehen vom Aussageverweigerungsrecht kann somit eine allfällige andauernde Auskunftspflicht nach erstinstanzlichem Urteil gar nicht Gegenstand der Anklage sein und deshalb nicht als Begründung für eine Verurteilung angeführt werden. Dies würde auch die knappe Sachverhaltsdarstellung erklären.
Oder funktioniert das Bundesgericht jetzt wie im Science Fiction Film „Minority Report“?