Ausschlaggbendes, aber nicht isoliert verwendetes Beweismittel

Ein Ehemann hat erfolglos versucht, einen von seiner Ehefrau verursachten Verkehrsunfall zu vertuschen. Beide wurden in einem offenbar vereinigten Verfahren verurteilt, der Ehemann ausgerechnet (auch) gestützt auf eine Aussage seiner Frau bei der Polizei. Der Ehemann hat bis vor Bundesgericht geltend gemacht, die Aussage seiner Frau sei mangels wirksamer Belehrung nicht verwertbar. Zudem habe er ihr keine Fragen stellen können. Das Bundesgericht folgt seiner Argumentation nicht (BGer 6B_75/2013 vom 10.05.2013).

Zur angeblich mangelnden Belehrung:

Die Vorinstanz folgt den Aussagen des einvernehmenden Polizisten. Dieser habe als Zeuge glaubhaft versichert, dass er die Ehefrau vor der Befragung gemäss den Bestimmungen des Gesetzes über das Strafverfahren auf ihre Rechte hingewiesen habe (…). Inwiefern diese Würdigung willkürlich sein sollte, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Art. 143 StPO ist nicht von Bedeutung, da die StPO im Zeitpunkt der Einvernahme noch nicht in Kraft war. Das kantonale Gesetz über das Strafverfahren sah keine Pflicht vor, die Belehrung schriftlich festzuhalten (E. 3.2).

Mit der Rechtsprechung des EGMR setzt sich das Bundesgericht hier noch nicht in Frage. Dies tut es umso mehr beim Konfrontationsanspruch (vgl. dazu E. 3.3.1), kommt aber wiederum zum Schluss, dass die (ausschlaggebende) Aussage verwertbar war:

3.3.2 Die Ehefrau des Beschwerdeführers äusserte sich einzig anlässlich ihrer polizeilichen Einvernahme vom 14. November 2009 zum Tathergang. Diese Aussagen sind nicht bereits unverwertbar, weil der Beschwerdeführer keine Gelegenheit hatte, der Einvernahme beizuwohnen und Fragen zu stellen. Das Gesetz über das Strafverfahren des Kantons Bern und die Schweizerische Strafprozessordnung sehen kein Teilnahmerecht der Parteien bei polizeilichen Einvernahmen vor (vgl. Art. 104 Abs. 1 StrV; THOMAS MAURER, Das bernische Strafverfahren, 2. Aufl. 2003, S. 196; Art. 147 Abs. 1 StPO; Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1187 Ziff. 2.4.1.3).

3.3.3 Bei den gerichtlichen Verhandlungen vom 16. März und 20. September 2011 hatte der Beschwerdeführer die Gelegenheit, seiner Ehefrau Fragen zu stellen (…). Sie verweigerte die Aussage zur Anschuldigung gegen den Beschwerdeführer (…). Folglich konnte dieser ihre Angaben nicht durch weitergehende Fragen auf ihren Beweiswert hin überprüfen und so Widersprüche aufzeigen (vgl. SCHLEIMINGER METTLER, Aktuelle Fragen zum Konfrontationsrecht, AJP 2012 S. 1069 ff., S. 1070 und 1073; Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Graubünden vom 6. November 2012, SK1 12 40 E. 3c.; a.A.: REHBERG, Aussagen von Mitbeschuldigten als Beweismittel, in: Aktuelle Probleme der Kriminalitätsbekämpfung, ZStrR 1992 S. 186 ff., S. 193 ff.).
Den Behörden kann nicht vorgeworfen werden, dass der Beschwerdeführer seine Rechte nicht wahrnehmen konnte. Beide Ehepartner haben die Aussage offensichtlich in Absprache mit der gemeinsamen Verteidigung verweigert. Die Aussagen seiner Ehefrau bei der Polizei waren zwar ausschlaggebend für die Verurteilung des Beschwerdeführers, jedoch hat die Vorinstanz den Schuldspruch nicht isoliert auf ihre Aussagen abgestützt, sondern unter Beizug weiterer Beweismittel (telefonische Angaben des Beschwerdeführers, Fotografien des Fahrzeugs, Aussagen des Polizisten) deren Glaubhaftigkeit als erstellt erachtet (…).

Diese kompensierenden Faktoren sind ausreichend, womit die polizeiliche Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers verwertbar war. Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK wurde nicht verletzt.

Der eigentliche Hammer ist hier m.E., dass die beiden gemeinsam verteidigt wurden und am Ende daran scheiterten, dass das Aussageverhalten “offensichtlich” abgesprochen war.