Aussichtslose Sachverhaltsrügen

Das Bundesgericht publiziert heute zwei Fälle, die mustergültig belegen, wie wenig aussichtsreich Sachverhaltsrügen (und damit eben fatalerweise auch in dubio-Rügen) sind (BGer 6B_731/2015 vom 14.04.2016 und BGer 6B_952/2015 vom 19.04.2015). Wir, das Volk, wollen das so.

Hier zwei Zitate aus den genannten Urteilen, die das exemplarisch begründen:

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Rügen willkürlicher Sachverhaltsfeststellung im Ergebnis als unbegründet erweisen, soweit sie den Begründungsanforderungen genügen. Dass der Beschwerdeführer die Würdigung der Vorinstanz nicht teilt und andere Schlussfolgerungen aus den Aussagen der Privatklägerin zieht, vermag keine Willkür zu begründen, denn das Bundesgericht ist keine Berufungsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt. Insgesamt erweisen sich die Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz trotz einiger Begründungsschwächen im Ergebnis nicht als willkürlich und im Gesamtbild schlüssiger als die vom Beschwerdeführer gezogenen Schlussfolgerungen (E. 1.3.5 aus 6B_731/2015).

Dass ihre Aussagen anlässlich der Berufungsverhandlung mit denjenigen der polizeilichen Befragung nicht deckungsgleich waren, bedeutet jedoch nicht, dass die Vorinstanz in Willkür verfällt, wenn sie von einem tätlichen Angriff auf die Beschwerdegegnerin 2 ausgeht. Nach konstanter Rechtsprechung genügt für die Begründung von Willkür mithin nicht, dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei nicht übereinstimmt oder auch eine andere Lösung oder Würdigung vertretbar erscheint. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwieweit die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen offensichtlich unhaltbar sein und die vorhandenen Beweise andere Schlussfolgerungen geradezu aufdrängen sollen. Dass der Beschwerdeführer aufgrund der Widersprüche erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Beschwerdegegnerin 2 hat, führt nicht dazu, dass die vorinstanzliche Beweiswürdigung im Ergebnis schlechterdings unhaltbar ist. Das Bundesgericht ist keine Appellationsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt und die vorinstanzliche Beweiswürdigung durch eine eigene als richtig oder naheliegender erachtete ersetzen kann. Der (implizit geltend gemachten) Verletzung des Grundsatzes “in dubio pro reo” kommt in der vom Beschwerdeführer angerufenen Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende selbstständige Bedeutung zu (vgl. BGE 138 V 74 E. 7 S. 82 mit Hinweisen) [E. 1.4.2 aus 6B_952/2015)].

Die Krux ist, dass sich Vorinstanzen bisweilen an der beschränkten Kognition verlassen. Das stellt man beispielsweise fest, wenn eine Vorinstanz ihren unter voller Kognition gefällten Schuldspruch damit begründet, es sei nicht gerade willkürlich, auf die nicht widerspruchsfreien Aussagen der einzigen Belastungszeugin abzustellen.

“In dubio pro reo” hat in der Schweiz bereits aus diesem Grund praktisch keinen Stellenwert. In Zivilprozessen wird regelmässig ein deutlich höheres Beweismass verlangt als im Strafprozess. Verfahren mit dem Staat als Partei sind offenbar kein Garant für eine Justiz, welche Grundrechte hoch hält.