Aussitzen als ungetreue Geschäftsbesorgung

Das Bundesgericht kassiert den Freispruch eines Vermögensverwalters, der seine Kunden nicht über die Wertverluste der Anlagen orientiert hatte (BGer 6B_447/2011 vom 27.07.2012). Die Vorinstanz begürndete den Freispruch vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) wie folgt:

Nachdem der Fonds in den Jahren zuvor einen stetigen Kursanstieg durchlaufen und erst im Jahr 2000 einen massiven Kursverlust, unterbrochen durch kurzzeitige Kurserholungen, erlitten habe, könne dem Beschwerdegegner nicht vorgeworfen werden, dass er in der Hoffnung auf einen Wiederanstieg der Kurse den Kurszerfall habe aussitzen wollen und es dabei unterlassen habe, seine Kunden laufend zu informieren (E. 1.1).

Das Bundesgericht qualifiziert den Freispruch als bundesrechtswidrig:

Gegenstand der Anklage bildet vielmehr der Vorwurf, der Beschwerdegegner habe seine Treuepflicht verletzt, indem er die Kundengelder nicht aktiv verwaltete bzw. betreute, und indem er, obwohl ein Einschreiten geboten gewesen wäre, untätig blieb und die drohende Gefahr des Vermögensverlusts für seine Kunden nicht abwendete (vgl. auch GUTZWILLER, a.a.O., S. 154). Dazu gehört, dass er die Kunden trotz mehrfacher eindringlicher Aufforderung seitens der D. bank nicht rechtzeitig darüber informierte, dass infolge des Kursverlusts des Fonds die Belehnungsgrenze teils massiv überschritten war und ein Verlust des investierten Kapitals drohte. In dieser mangelhaften Betreuung der Kundengelder liegt entgegen der Auffassung der Vorinstanz eine Verletzung der Treuepflicht im Sinne des Tatbestandes der ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 Ziff. 1 StGB. Indem der Beschwerdegegner auf die eingetretenen Kursverluste nicht rechtzeitig reagierte und die Kunden nicht auf die drohenden Verluste aufmerksam machte, hat er jedenfalls seine Pflicht zur Vermögenserhaltung verletzt und hat er eine Vermögensschädigung der Kunden zugelassen. Denn zur Sorgfaltspflicht des Vermögensverwalters gehört auch die stetige Überwachung der von ihm gewählten Anlage (E. 3.2).

Auf die Bereicherungsabsicht verzichtet das Bundesgericht weitestgehend bzw. verweist auf die Begründung der Vorinstanz zu einem anderen Anklagepunkt:

Zu Unrecht verneint die Vorinstanz auch das Handeln in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. Die Rechtsprechung legt dieses subjektive Tatbestandselement weit aus und lässt auch die Eventualabsicht genügen (vgl. etwa Urteile des Bundesgerichts 6B_66/2008 vom 9. Mai 2008 E. 6.5 und 6B_504/2011 vom 22. Juni 2012 E. 2.2). Dass die Bereicherungsabsicht im Sinne eines eigentlichen Handlungszieles vorliegen müsste, wie dies die Vorinstanz annimmt (…), wird von der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre verneint (…). Vor diesem Hintergrund leuchtet, wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, nicht ein, wie die Vorinstanz im vorliegenden Kontext Handeln in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht verneinen kann, während sie diese im Anklagekomplex “I.” ohne Weiteres bejaht (…). Der Beschwerdegegner hat auch im Anklagekomplex “F.” als berufsmässiger Vermögensverwalter gehandelt. Die Bereicherungsabsicht ergibt sich aus dem Bestreben, aus der treuwidrigen Vermögensverwaltung einen Verdienst zu erzielen (E. 3.3).